Kalliope
→
German poets
→
Friedrich Rückert
→
Die Weisheit des Brahmanen
(1836-39)
→
Bd. 5
(1839)
Friedrich Rückert
(1788–1866)
Works
Poem titles
First lines
References
Biography
Søg
Die Weisheit des Brahmanen
(1839)
Fünftes Bändchen
XII.
1.
Du faſſeſt ſelbſt nur halb, was du im Herzen ſagſt
2.
Im Meer der Schoͤpfung ſchwamm zuerſt die Lotosblume
3.
Gott iſt, drum denkt er; denkt, drum ſpricht er, und ein Wort
4.
Der neugeborne Gott ſchlief an der Erde Grund
5.
Vom Gaͤrtner kauft’ ich mir ein ſchoͤnes Blumenſtoͤckchen
6.
Mein Sohn! die Wahrheit iſt in Wahrheit ganz nur Eine
7.
Des Ganzen Theile ſind als Theile nicht vorhanden
8.
Den ew’gen Faden zieht die Spinn’ aus ihrem Leibe
9.
Hier ſchwanken ſieheſt du im Bach der Sonne Bild
10.
Wie du verſchieden haſt den Gott in dir empfunden
11.
Du brauchſt dein eignes Volk deswegen nicht zu ſchelten
12.
Du mußt nur Alles nicht verlangen gleich von allen
13.
Der Pflanzenkund’ge, der die Pflanzen will erklaͤren
14.
Die heil’ge Brahmaſtadt, gleich einer Lotosbluͤte
15.
Des Baumes Bluͤt’ erfreut, des Baumes Schatten beut
16.
Wie einem Thiere mag zu Muth ſeyn, kann ich doch
17.
Alswie der Fruͤhling, ſeit er erſt der Welt entflohn
18.
Zwoͤlf Jahre war ich alt, da hatt’ ich ohne Fleiß
19.
Das Feuer war in Furcht, daß es das Waſſer haſche
20.
Der Knabe ſteht am Berg und lauſcht in ſtiller Wonne
21.
Ihr naͤrr’ſchen Dichter, die ihr ſcheltet die Natur
22.
Die ihr die Erd’ entehrt, zu geben Gott die Ehre!
23.
Ein Drittel biſt du ſelbſt, ein Drittel iſt die Welt
24.
Ich hang’ an einem Haar noch mit der Welt zuſammen
25.
Wer in den Spiegel ſieht, und ſieht ſich ſchoͤn darin
26.
Nimm, Brahma’s Juͤnger, was ich vom Araber nahm
27.
Du ſchaͤme dich vor Gott und dir in deinen Zellen
28.
Du ſageſt: Falſch war dein Orakel, wie es pflegt
29.
Der iſt ein ſchlechter Herr, wie glaͤnzend auch er thront
30.
Wenn du mich fragſt: auf wen darf ich in Treuen baun?
31.
Der Farbenbogen der Empfindungen erſcheint
32.
Der Koͤnig zaͤhlt ſein Heer, ihm geht ein Mann vorbei
33.
Wie einſt des Geiz’gen Aug’ erſchloſſen Zauberſalben
34.
Ich ſprach: „Der Liebe Rauſch verſtehn nur trunkne Sinne;“
35.
Du unterſcheideſt hier Vernunft und dort Verſtand
36.
Du biſt ein Mutterſohn, und von der Mutterbruſt
37.
Wer etwas lernen will, der muß dazu drei Gaben
38.
Der iſt der ſchlechteſte des menſchlichen Geſchlechtes
39.
Zu geben Groͤſtes gern mag Großmuth ſich bequemen
40.
Der alte Hauswirth, in der Wirthſchaft wohl erfahren
41.
Der Koͤnig Adler hat das weitſte Koͤnigreich
42.
Du macheſt manches mit, weil man dir’s vorgemacht
43.
Am Rand des Stromes ſitzt ein Angler um zu angeln
44.
Man ſagt, geboren hat die Viper nicht die Jungen
45.
Es kam ein Wanderer durch einen oͤden Raum
46.
Ein altes Sprichwort ſagt: Im Truͤben iſt gut fiſchen
47.
Vernimm die Fabeln, die ich nicht gefabelt habe
48.
Die Blumen ſtanden friſch erquickt auf duͤrrer Au
49.
Warum der Vogel ſteht im Schlaf auf Einem Bein?
50.
Sie haben ihr Vertraun auf dich geſetzt, und baun
51.
In einem Hauſe wohnt’ ein armes Hausgeſind
52.
Der Knabe ſitzt am See, und taucht die Ruthe drein
53.
Von menſchlichem Geſchlecht verlaſſen ſtand ein Haus
54.
Das groͤſte Hinderniß iſt oft dem Muthe keines
55.
Wo naht der ſuͤße Strom dem bittern Flutenſchooße
56.
Wer viele Buͤcher hat, und keines recht geleſen
57.
Die heil’ge Lampe brennt in deines Buſens Raͤumen
58.
Das Rohr im Winde ſeufzt aus Sehnſucht nach dem Schoͤnen
59.
Der Kuͤnſtler, wenn ein Werk er hat gemacht fuͤr alle
60.
Wer etwas Gutes ſchafft, der halt’ es nur fuͤrs Beſte
61.
Du laͤſſeſt billig dir dein eignes Gut gefallen
62.
Wenn du das Ziel nur kennſt, und biſt auf rechten Wegen
63.
Wer mit Beſonnenheit vereint Begeiſterung
64.
Was uranfaͤnglich iſt, das iſt auch unanfaͤnglich
65.
Ein hohes Raͤthſel iſts, wie alle ſind berufen
66.
Das irdiſche an dir, Geſchoͤpf, ſind deine Glieder
67.
An jedem Morgen haͤlt der ſel’gen Goͤtter Chor
68.
Ich ſprach am Abend, als ich meinen Stock begoß
69.
Das Ewige, das ganz genoßen Goͤtterſoͤhne
70.
Dem Weisheitdurſtenden hat nie ſo recht von Grund
71.
Der Vorzeit Sprache ſei dir heil’ge Hieroglyphe
72.
Gleichguͤltig findet mich der Lenz zum erſtenmal
73.
Wenn eingetroffen iſt ein unverhofftes Hoffen
74.
Gewohnheit iſt ſo ſtark, daß ſelber die Natur
75.
Im Weg begegnen ſich die Bien’ und die Ameiſe
76.
Der kluge Jaͤger ſprach zu ſeinem treuen Hunde
77.
Der Erde dankt man nicht den Schatz, den man gegraben
78.
Vernimm, der ewigen Natur vier Elemente
79.
Das weiße Licht iſt leicht, das dunkle Schwarz iſt ſchwer
80.
Zweideutig iſt, o Menſch, vernimm auch dieſe Lehre
81.
Wer alles Gute liebt, wo er’s nur aufgetrieben
82.
Stets loͤblich iſt es, ſich mit andern zu vergleichen
83.
Der Liebe Blick iſt gut, boͤs iſt der Blick des Neides
84.
Verſammelt ſah ich juͤngſt in ſommerlicher Stille
85.
Gott, der den Frieden gibt Friedfert’gen zum Geleit
86.
Dem Storch ward lang das Bein, um durch den Sumpf zu waten
87.
Weißt, wie der alte Pfau lehrt fliegen ſeine Jungen?
88.
Die dumme Fabel ſagt, des Pfauen ſtolz Gefieder
89.
Viel ſind der Tugenden, doch jede iſt die ganze
90.
Nicht unter Gleichen iſt die Freundſchaft, noch Ungleichen
91.
Ein Geiſt, der ſchoͤpferiſch den meinen angehaucht
92.
Was ragen himmelan die kalten dort und ſtolzen
93.
Es geht ein ſchmaler Weg hin zwiſchen Strom und Klippe
94.
Dem ſtaͤrkern Feind entgeht der ſchwache mit der Hilfe
95.
So nebneinander gehn durchs Leben Menſchen hin
96.
Ihr habt euch nun einmal verliebt ins Haͤßliche
97.
Wie gegen Morgen, wann die Nacht die Macht verlor
98.
Blick her, o Welt, was ſoll von dir die Nachwelt denken
99.
Was wirklich ſatt dich macht, das wirſt du niemals ſatt
100.
Jemehr du aus ihm nimmſt, je groͤßer wird der Graben
101.
Der Angler ſitzt am Strom und angelt ohne Zahl
102.
In Luͤften ſchwebt die Lerch’ und uͤber ihr der Aar
103.
Entraffe dich dem Schlaf, er wirket nichts als Traͤume
104.
Zween Bruͤder waren einſt, der groß und jener klein
105.
Der Bauer hat ein Hun und eine Kuh dazu
106.
Oft geh’ ich durch die Flur, mein Auge ſtill zu weiden
107.
Du ſagſt, dir ſei zu weit die dreißigſtuͤnd’ge Reiſe
108.
Die Leier immer haͤngt geſtimmt in meiner Klauſe
109.
Wer mit geſchickter Hand die heilge Schrift abſchreibt
XIII.
1.
Der heilige Kebir ſah eine Muͤhle drehn
2.
Die Leiter unterm Baum liegt umgeſtuͤrzt im Graben
3.
O Muͤcke, die du lebſt und ſtirbſt im Sonnenſtral
4.
Zufrieden mit mir ſelbſt, mit Gott und mit der Welt
5.
Der Ehre kannſt du wol von andern leicht entbehren
6.
Das Waſſer traͤgt den Mann, wenn er zu ſchwimmen weiß
7.
Wenn etwas ſcheinet mehr als einen Grund zu haben
8.
Dich lehrt ein Sprichwort: Nie trink aus zerſprungnem Glaſe!
9.
Die Menſchen muͤſſen dir von Zeit zu Zeit es ſagen
10.
Wenn dich am fruͤhen Tag ein frommer Vorſatz hebet
11.
Wenn du die Pflanze wirſt mit kuͤhler Flut beſprengen
12.
Der Kieß der Reue wird ein Edelſtein genannt
13.
Des Silbers reiner Glanz laͤßt Flecken am Gewand
14.
Wie fern der Wirklichkeit, wie fern der Ahnung liegt
15.
Nicht Pyramiden, die Jahrtauſenden getrotzt
16.
Wenn du die Menſchen ſiehſt, mein Sohn, an einem Platze
17.
Du kannſt aufs Feld nicht gehn, ohn’ irgend eine Blume
18.
Der Sturm der Menſchenwelt bewegt dich wenig nur
19.
Soviel iſt auf der Welt, was Herzen trennt und einet
20.
Viel lieber iſt das Dach der Huͤtte, das bemoſte
21.
In jedem Augenblick, wo ich von meiner Seite
22.
Den Schmelz der Wieſen traͤnkt das Waſſerrad nicht nur
23.
Weil das Vergnuͤgen, das man bannen will, entweicht
24.
Von Lebern aller Art moͤcht’ ich Jahraus Jahrein
25.
Ich wollte, waͤr’ ich reich, viel lieber als den Streit
26.
Wie dir auf naͤcht’ger Fahrt die naͤchſte Reih der Baͤume
27.
Nicht hemme du im Gang die ſinnlichen Genuͤſſe
28.
Alswie ein Thor, der wohnt im Haus mit einem Weiſen
29.
Wer noch im Schlafe liegt, ſei daraus aufgeweckt
30.
Gewoͤhnen will dich, was du ſieheſt hier vom Schoͤnen
31.
Welch eine Kunſt du lernſt, ſolang du lernend biſt
32.
Die Seele traͤgt ein Maß des Schoͤnen ſelbſt in ſich
33.
Die Seele, die herab iſt in den Leib geſtiegen
34.
Die Seelen waren in der Weltſeel’ einſt beiſammen
35.
Der Himmel, wenn er lang nicht hat geregnet mehr
36.
Ein jeder iſt ſich ſelbſt der naͤchſte. Zeugen ſind
37.
Das Seelchen kam ſo fruͤh vom Himmel ſchon hinaus
38.
Du ſiehſt mit Augen nur und hoͤreſt nur mit Ohren
39.
Die Blumen in dem Korn, ſie koͤnnen dich nicht naͤhren
40.
Der Menſchheit Geiſter ſind zum Hoͤchſten gleich berufen
41.
Was wird nun dieſer Tag, der heutige, dir bringen?
42.
Die meiſten Voͤgel bau’n fuͤr ſich allein kein Neſt
43.
Des Kindes erſter Trieb iſt ſinnliches Beduͤrfen
44.
So ſprach des Loͤwen Muth zu ſeinem eignen Rachen
45.
So ſprach ein Wandersmann zu ſeinem Weggeſellen
46.
Wenn du mit deinem Schatz willſt einen Bretterkaſten
47.
Die Seelen alle ſind umher geſtellt im Kreiſe
48.
Sieh wie das Aehrenfeld vom goldnen Abendduft
49.
Sieh, mit den Fuͤßen ſteht der Reis im Waſſerbade
50.
Schenk’ in dein Glas nicht mehr, als auf einmal zu trinken!
51.
Ich habe doch genug des Schoͤnen aller Art
52.
Gewoͤhne Schoͤnes dich zu ſinnen und zu denken
53.
Solange du nur denkſt, ohn’ es in dir zu fuͤhlen
54.
Weil du der ganzen Welt nicht kannſt als Herrſcher walten
55.
O ſeht die Taube, wenn ihr ihre Jungen ſchlachtet
56.
Will deine Heiterkeit truͤben ein Tag ein truͤber
57.
Vorgeſtern Hoffnungen, in Knoſpen eingeſchloſſen
58.
Im trocknen Sommer bringt der Weſtwind keinen Regen
59.
Der Eſel, den mit Salz ſie uͤberladen hatten
60.
Der Baum merkt nicht die Laſt, haͤlt drauf ein Vogel Raſt
61.
Wer ſagt: ich ſuchte doch ich fand nicht; glaub, er luͤgt
62.
Gleich gut in guter Zeit gehts Dummen wie Geſcheiten
63.
Von einer Seele traͤumt’ ich, einer fernen lieben
64.
Mag meine Seele, die im Wachen aufwerts ſteigt
65.
Wer Alles mag in Gott, in Allem Gott betrachten
66.
Solang des Schoͤnen Hauch nicht ſo dich auch durchwittert
67.
Die Lehrer ſind im Streit, womit hier auf der Erde
68.
Zu lernen halte nur dich nie zu alt, und lerne
69.
Wenn du den Augen haͤltſt das Buch ſo nahe vor
70.
Viel ſchlimmer, als wenn dich die andern hintergehn
71.
Der Affe hat gehoͤrt, daß ſuͤß der Nußkern ſchmecke
72.
Nur wer daheim iſt, mag wol einen Gaſt empfangen
73.
Vor allem lerne nur, dich ſelber zu belehren
74.
Das hoͤchſte Liebeswerk, das Menſchen iſt verliehn
75.
Zwar geben kann nur, wer empfangen hat die Gaben
76.
So wie dein Auge ſchaut mit Luſt das gruͤne Laub
77.
Einſt ſprach ein frommer Mann, der ſtets im Geiſte lebte
78.
Das heilige Sanskrit, das vorlaͤngſt ſich verloren
79.
Zur Huͤlle diene dir das Kleid, wol auch zum Schmucke
80.
Dem unbeſchriebnen Blatt des Geiſtes in dem Kinde
81.
Der Wurzelſchoͤßling waͤchſt nach ſeinem Vaterſtamm
82.
Was gut iſt und was ſchlecht, iſt ſchwer nicht zu entſcheiden
83.
Der du im Lichte biſt, und biſt in mir das Licht
84.
Dort in der Sonne ſteht, dir ungeſehn, ein Geiſt
85.
Wenn jener Funke Licht in dir vom hoͤchſten Licht
86.
Mein Licht! du biſt nicht warm, die Sonne ſteht zu ſchief
87.
Laß einen Heilverſuch dir meines Auges ſagen
88.
Ein Tempel Gottes hat ſich die Natur gebaut
89.
Wenn nichts vom Erdenſtaub mehr abzuſchuͤtteln bleibt
90.
Horch, das Gewitter brauſt, des Donners Scheltwort rollt
91.
Wie legſt du ſo vergnuͤgt zur Ruh dich Abends nieder
92.
Gebrauche deine Kraft nur Guͤter zu erwerben
93.
Die beſten Fechter ſind im Kampf gefallen immer
94.
Gar viele Geiſter gehn beim Menſchen aus und ein
95.
Ich ſage dir, mein Sohn, von welchen Lehrern lernen
96.
Der groͤſte Kummer iſt im kummervollen Leben
97.
Du waͤreſt gerne reich, umhaͤuft von Ueberfluß
98.
Sieh dieſen Mann! wie ſteht ihm felſenfeſt ſein Glauben!
99.
Man pflanzet einen Baum, damit er Fruͤchte trage
100.
Drei Stufen ſind es die der Menſch empor muß ſtreben
101.
Von ferne kannſt du nicht die Trommel hoͤren ſchlagen
102.
Solang du jung biſt, mag es dir villeicht behagen
103.
Laß uns beſonnen ſeyn! Wir waren unbeſonnen
104.
Iſt dir ein Freund verſtimmt, ſo ſieh aus welchem Grunde
105.
In langem Umgang kann vermeiden ganz kein Mann
106.
Eh du ein Werk beginnſt, ſieh zu, ob auch die Krone
107.
Wohl wuͤrde ſich ein Mann in ſeine Lage finden
108.
Wol lebt des Mannes Geiſt im großen Allgemeinen
109.
Von allem was ein Mann an Gut der Welt gewann
110.
Was dir mislang, wirf weg, wenn du ein Meiſter biſt
111.
Solang haſt du geſaͤumt an manchem guten Tage
112.
Wenn dein Gemuͤt iſt friſch vom Thau der Nacht befeuchtet
113.
Wer mit Erholung recht weiß Arbeit auszugleichen
114.
Bedenke, wenn du gehſt, daß nichts von dir hier bleibt
XIV.
1.
Als das Kamel von Gott ſich Hoͤrner wollt’ erbitten
2.
Du ruhſt, mit deiner Luſt am Stande der Natur
3.
Die Eigenheit, die dir am fremden oft gereicht
4.
Wer unbedingt dich lobt, der lobt dich wirklich nicht
5.
Entweder uͤberſtreng an andern magſt du ſchelten
6.
Aufs Ungluͤck ſei gefaßt, denn morgen kann es kommen
7.
Des Menſchen Sprecher ſind ſein Beutel und ſein Becher
8.
„Nicht aͤndern kannſt du es, ergib dich in Geduld!“
9.
Oft durch ein Ungluͤck wird ein großes Gluͤck zu Theil
10.
Wer hier ein Uebel thut, der thut es ſich allein
11.
Wenn dich ein Uebel trifft, ſo denk: es iſt ein kleines
12.
Die Seele haͤtte nicht des Leibs bedurft, ſie haͤtte
13.
Das Menſchlichſte an uns, das Sprechen und das Denken
14.
Ein Regen fiel die Nacht, doch war er nicht einweichend
15.
Wer Seele mehr nicht hat, als braucht zum eignen Leben
16.
Die Sonne ſelber ſiehſt du nur durch Sonnenlicht
17.
Du fuͤhleſt, daß du haſt auf Erden keine Raſt
18.
O ew’ger Mittelpunkt des Seyns und der Gedanken
19.
Je Hoͤheres du aus vom Hoͤchſten ſagen magſt
20.
Solang du lebend biſt, komm halte dich ans Leben
21.
Die Tage nach dem Tag, wo du gepflanzt den Baum
22.
Den Leib, haͤtt’ ich den Leib geliebt, mich macht’ es grauen
23.
Woher du kameſt nicht, und nicht wohin du gehſt
24.
O ſage wo du biſt, wo du nicht biſt o ſage!
25.
Du ſiehſt, Unſichtbarer, du hoͤreſt, Unvernommner!
26.
Gott gebe dir an dir ein ſtilles Wohlgefallen
27.
O ew’ger Lebenshauch, durch den der Baum der Zeiten
28.
Du ſagſt, es iſt die Welt geartet zum Entarten
29.
Was iſt der Raum? die dir vom Sinn geſetzten Schranken
30.
Sowahr als aus dem Eins die Zahlenreihe fließt
31.
Gott iſt das hoͤchſte Gut. Das ſagt der Sprache Wort
32.
Nicht aͤrgern ſollſt du dich an Fratzen, die der Glaube
33.
Der ſtiehlt dir, was er leicht von dir geſchenkt bekaͤme
34.
Du haſt, vom Gluͤck belehnt, ein ſchoͤnes Fleckchen Erde
35.
Kein Irrthum hinter dem nicht eine Wahrheit ſteht
36.
Was iſt es denn, das du begreifſt von Gott und Welt?
37.
Wer nicht, was im Verſtand ſich ewig widerſpricht
38.
Sowahr in dir er iſt, der dieſe Welt erhaͤlt
39.
Das ſagt dir dein Gefuͤhl, daß du kannſt ſuͤndigen
40.
Wol aͤrgern dumpfen Sinn des Geiſtes Widerſpruͤche
41.
Der ew’ge Dreiklang, der das irdiſche Getoͤſe
42.
Vorm Menſchen, welchen kein Geſetz der Lieb’ und Treue
43.
Laß uns im Augenblick ein Gottesbild aufrichten
44.
Ob wirklich ſelber du ergreifſt die Gegenſtaͤnde
45.
Welch wunderbare Art den Laͤugner zu bekehren
46.
Laß dich nur blenden nicht von denen die erſannen
47.
Das Rechte haſt du wol, das fuͤhleſt du, gethan
48.
Was Gott in der Natur und dir im Herzen ſpricht
49.
Wer faͤhrt durch ein Gefild, ſieht hinter ſich verſinken
50.
Des Regens Tropfen ſpruͤhn, doch wird davon nicht gruͤn
51.
Vollkommen lieb’ ich nicht die Menſchen, ſtreng und heilig
52.
Wer ſeiner eigenen Vernunft gehorcht allein
53.
Wer leer im Innern iſt, ſei außen doch gefaͤllig
54.
Bequeme dich der Welt, ſo wirſt du angenehm
55.
Du haſt ein Maß in dir von Kraͤften, die du ſpenden
56.
Wo Gutes das zu thun, als Gutes dar ſich ſtellt
57.
Was iſt die Tugend? Schrank’ und Maß der Menſchenkraft
58.
Nicht minder haben dich die Ding’ als du ſie haſt
59.
Das Aergſte drohet nicht der Welt von Geld und Gut
60.
Ein Buch, aus dem du viel Gedanken nehmen kannſt
61.
Wer gegen ſeine Zeit ankaͤmpfet, hat verloren
62.
Du zitterſt vor der Nacht und bebeſt vor dem Tage
63.
Leb’ in der Gegenwart! Zu leer iſt und zu weit
64.
Zu welchem willſt du dich von beiden Choͤren wenden?
65.
Die Weisheitslehren, die dir Weisheitslehrer ſpenden
66.
Gluͤckſelig biſt du, wenn auf Folgrungen und Schluͤſſen
67.
Wenn du den Formeln ſiehſt ins Herz, nicht aufs Gewand
68.
Die Guͤter unter’m Werth veraͤchtlich anzuſchlagen
69.
Wer ſtrebte nach dem Ziel, wenn er ſo fern es ſaͤhe
70.
Nicht durch Beweiſe kannſt du ſtuͤtzen deinen Glauben
71.
Blick’ auf und ſage dir: wo iſt der Regenbogen?
72.
Was in der Schule du gelernt, iſts wol vergebens
73.
Die Demuth iſt wol gut daß ſie ein Herz erringe
74.
Sich ſtaͤrker fuͤhlt der Menſch in Ungemachabwehrung
75.
Du ſagſt am Himmel daß nichts zu bewundern bliebe
76.
Je groͤßer einen Kreis du haſt zu uͤberſehn
77.
Reichthums Vermehrung kann die Armuth nicht vermindern
78.
Geſittung ſtrebt, das Thier dem Menſchen auszuziehn
79.
Die Eiſenbahnenzeit, die Proſazeit von Eiſen
80.
„Ich weiß nicht“ hab’ ich unbedenklich oft geſagt
81.
Schwer iſt im Wechſelnden zu ſehn ein Bleibendes
82.
Fuͤhl’ einen Augenblick nur wahrhaft, daß du biſt
83.
Empfindung iſt vom Ding ein Zeichen, von Empfindung
84.
Wenn du dem Gegner ab Vernunft ſprichſt und Verſtand
85.
Nicht Alles kann der Menſch mit offnen Augen ſehn
86.
Krieg Aller gegen All’ iſt Sinn der Wiſſenſchaft
87.
Ein Wunder wird der Menſch empfangen und gezeugt
88.
Laß dich von glaͤnzenden Beweiſen nur nicht blenden
89.
Wenn du nach Ehre ſtrebſt, die dir die Welt ſoll geben
90.
Luſt an Vergaͤnglichem kann nur vergaͤnglich ſeyn
91.
Ein Herz das Unruh fuͤhlt, iſt noch in ſich nicht heil
92.
Des einen freu’ ich mich, wenn ruͤckwerts geht der Blick
93.
Nichts ſagen kann ein Mund, worin nicht Wahrheit waͤre
94.
Du ſiehſt die andern rings in einer Form von Glauben
95.
Wenn dir aus einem Buch, das heilig du benennſt
96.
Du haͤngſt an Wurzeln, die du von Natur gewannſt
97.
Den Spruch: Erkenne dich! ſollſt du nicht uͤbertreiben
98.
In deines Herzen Haus- und Feſtkalender mag
XV.
1.
Dis hat nicht von ſich ſelbſt der Mann am Gangaſtrand
2.
Der Traum, darein man leicht bei traͤger Ruh verſinkt
3.
So ſang ein Wandersmann, als er die Welt durchlief
4.
Die Regenwolke zieht den duͤrren Gau entlang
5.
Der letzte Stral von Gold um Berges Haupt zerrann
6.
Warum laͤßt Volksmundart von Frauenlippen ſich
7.
Ich ſaß am Baum und ſchrieb, und weil ich ſtille war
8.
Am Huͤgel ſaß ich Nachts, und war dem Thal entronnen
9.
Ein heiteres Gemuͤt iſt gleich in jeder Lage
10.
Ich ſtand auf einem Berg und ſah die Sonn’ aufgehn
11.
Es ragt ein Inſelberg, der bis zu ſeiner Spitze
12.
Zwei Baͤume ſah ich heut, Sinnbilder von Verjuͤngung
13.
Die alte Fabel fiel mir heute wieder bei
14.
Die Schenk’ iſt ſolch ein Ort, wo dir nichts wird geſchenkt
15.
Die Schwalb’ iſt eingethan in Doͤrfern nicht allein
16.
Am beſten wuͤrdeſt du in einen Koffer packen
17.
Was du im taͤglichen Hinleben leicht vergiſſeſt
18.
Den Weg am Berg empor beſchließt ein Gitterthor
19.
Im Garten ſah ich Baͤum’ auf eigne Art benutzt
20.
Ich ſah ein ſchoͤnes Haus, reich von der Kunſt geſchmuͤckt
21.
Zwei Pfaͤhle ſah ich ſtehn, der eine weiß und blau
22.
Was ſucht ihr, Reiſende, in des Gebirges Schanzen?
23.
Aus Felſen ſpringt der Quell, und Freiheit will ihm ahnen
24.
Die Zeit iſt kurz, wenn voll; die Zeit, wenn leer, iſt lang
25.
Hoch im Gebirge lag ein ſtiller See, und gab
26.
Sanskrit, das einen Satz gern in Ein Wort verbindet
27.
Ich hab’ in tiefer Nacht im tiefen Thal gewacht
28.
Die Kirch’ hat an den Weg ihr Gottesbild geſtellt
29.
Ein Gottesbild am Weg; andaͤchtig hin wird treten
30.
Dir wuͤnſch’ ich, Wanderer des Weges und des Lebens
31.
Ein ſchoͤner Garten lag am Weg, ich ſtand davor
32.
Ich ſah auf einer Trift zuſammen Roß und Rind
33.
Soviel in eurer Art iſt einfach, uranfaͤnglich
34.
Ich fuhr den See hinab und wollt’ ihn recht beſchaun
35.
Weil du irrgiengeſt, weil du dich irrfuͤhren ließeſt
36.
Der Regen geht herab in Stroͤmen, landerquickend
37.
Es ſteht ein Fels am Weg, gehſt du an ihm vorbei
38.
Ich gieng, die Gegenden zu ſehn, die auch mich freuten
39.
Du ſahſt die Leute nur, geſtehs, von einer Seite
40.
O Held, du biſt im Kampf fuͤrs Vaterland gefallen
41.
Lebt oder ſtarb der Mann, der den Verrath begieng
42.
Die Minneſingerharf’, an der von allen Saiten
43.
Hier ſteht das Schloͤßlein noch, von deſſen Hochaltan
44.
Ein eigner Anblick iſts, im ſommerlichen Thal
45.
Ich will nicht wohnen an der Waſſerfaͤlle Brauſen
46.
Du kannſt nicht aͤußerlich die ganze Welt umfaſſen
47.
Wer immer Schoͤnes ſieht, muß ſelber ſchoͤn auch werden
48.
Sieh, alles was dich ſonſt geaͤrgert hat zu Haus
49.
„Was haſt du nun im Brief fuͤr Neuigkeit erhalten?“
50.
So ſang ein Wandersmann im baumloſen Gefild
51.
Vergißmeinnicht, du bluͤhſt an fremden Baches Bord
52.
Des Berges Haupt iſt kahl, doch fruchtbar iſt ſein Fuß
53.
Ich ſah am Abende des Mondes wachſend Horn
54.
Wenn immer Ausſicht waͤr’ auf maleriſche Hoͤhn
55.
Hold iſt nur die Natur, wo ſie die Huld bezwang
56.
Wo nicht als Ackersmann, als Fiſcher oder Jaͤger
57.
Die Kunſt — das koͤnnen wir in Kunſtgeſchichten leſen —
58.
Ehr’ hat ihr Ungemach; oft ziehn muß ſeinen Hut
59.
Die Reiſ’ in fremdes Land iſt dazu gut vor allen
60.
Kein Held, wer durch die Flucht Verſuchungen entgeht
61.
Stets unterhaltend iſt die Reiſe fuͤr den Mann
62.
Erſt freuſt du dich hinaus, dann freuſt du dich zuruͤck
63.
Nicht in der Einſamkeit biſt du allein; es ſpricht
64.
Die freie Herde ſpringt vorm Hirten laͤutend her
65.
O Wandrer im Gebirg, hier beides findeſt du
66.
Das Wetter wechſelt, und es wechſeln Menſchenkaunen
67.
Suͤß muß es Schwachen ſeyn, des ſtarken Feinds zu ſpotten
68.
An heil’ger Berge Fuß zu wohnen mag erheben
69.
Die Pflanzen lieb’ ich, die im Bluͤhn und Welken gleichen
70.
Des Kunſtwerks Kunſt iſt nur fuͤrs Kuͤnſtlerauge da
71.
Des Menſchen Glaube praͤgt in ſeinem Thun ſich aus
72.
Biſt du im fremden Land, ſo mußt du dich bequemen
73.
Im Sonnenſchein mußt du mit dir den Mantel tragen
74.
Du Ueberſchrift am Weg ſagſt: „Hemme deinen Gang
75.
Hinaus aus dieſer Schluft, aus dieſer Kluft hinaus!
76.
Ein weites Zimmer macht weit die Gedankenwelt
77.
Du Bollwerk der Natur, Gebirg von Gott gegruͤndet
78.
Was hilft es, daß du dir die fremden Weg’ einpraͤgteſt?
79.
Auch dis muß ſeyn erlebt, auch dis muß ſeyn ergangen
80.
Wenn dir’s an jedem Ort, o Wandersmann, gefiele
81.
Der Meilenzeiger kann dir zeigen wol die Meilen
82.
Die Qual iſt bei der Wahl; viel Wege breit und ſchmal
83.
Selbſt deine Uhr geraͤth in Unordnung auf Reiſen
84.
Zwei Schlechte geben oft ein Gutes im Verein
85.
Wer faͤllt, ſteht wieder auf; deswegen nimmt im Wallen
86.
Weltweisheit iſt die Kunſt, die ſchlecht ſich auf Weltweiſe
87.
Was thut’s wenn dich die Welt um weltlich Gut betrog
88.
Wer dich betrog, der wird dich obendrein auslachen
89.
Daheim, o Wandrer, magſt du allen Liebe tragen
90.
Begnuͤgſamkeit iſt doch des Menſchen groͤſtes Gluͤck
91.
Ganz in Vollkommenheit ſiehſt du kein Ding erglaͤnzen
92.
Die Welt iſt ungetreu, die Menſchen, die Natur
93.
Blick’ in die Welt hinaus, und ſieh, viel andre Raͤder
94.
Nicht nur erkennen, wie gering du ſeiſt, mußt du
95.
Was man zum Guten wie zum Boͤſen deuten kan
96.
Erfahren muß man ſtets, Erfahrung wird nie enden
97.
Thu nur als wiſſeſt du, um dir die Scham zu ſparen
98.
Ein Heimchen ſchwirrt, und macht den Wanderer gedenken
99.
Was iſt an Fluren ſchoͤn? was ſchoͤn iſt auch am Leben
100.
In Hellas wuchs die Kunſt, vom Sinn des Volks gefordert
101.
Der Fluß bleibt truͤb, der nicht durch einen See gegangen
102.
Den Fluß nach Regenguß truͤb gehn ſehn, iſt natuͤrlich
103.
Ein nochſo ſchoͤner Fluß, darauf nicht Schiffe gehn
104.
Fruchtbaͤume wird man nicht im wilden Wald erwarten
105.
Ich kann nicht eſſen, wenn ich andre hungern ſehe
106.
Der gelbe Wein iſt Gold, der rothe Wein iſt Blut
107.
Wie mit dem Eignen ſich der Eigner muß begnuͤgen
108.
O Wanderer am Bach, geh nur dem Waſſer nach
109.
Der Baum, der Fruͤchte traͤgt, traͤgt eine ſchoͤne Laſt
110.
Sei ſelbſt ein Mann, wo nicht, ſuch’ eines Mannes Schutz!
111.
Noth iſt die Wage, die des Freundes Werth erklaͤrt
112.
Und wenn ſie wie das Korn dich in den Boden traten
113.
Die Vogelſcheuche, die den ſcheuen ſcheucht, wird reizen
114.
Zur Weggenoſſenſchaft gehoͤren beide Gaben
115.
Die ſchwarze Wolke truͤbt des Himmels reines Blau
116.
Der Hunger ſchlaͤft im Zahn, bis ihn die Speiſe weckt
117.
Der Anker haͤlt den Kahn, und laͤßt ihn nicht verſinken
118.
Die Birnen fallen hart vom hohen Zweig zur Erde
119.
Ein Bettler geht nie irr, er geht an jedem Ort
120.
Wen du arbeiten ſiehſt, dem beut du ſelbſt den Gruß
121.
Die Bluͤte traͤgt ſich leicht, viel leichter als die Frucht
122.
Wer hin die Haͤlfte gab, verliert das Ganze nicht
123.
Die Waſſer rauſchen hin wie Weltbegebenheiten
124.
Der hohe Thurm erſcheint am Fuß der Berge klein
125.
Leicht ſchenkſt du hin, was ſchwer dir nicht ward zu gewinnen
126.
Zu Hauſe bin ich nicht, wo meine Heimat iſt
127.
Du kannſt mit einem Schlag ins Waſſer zwar es theilen
128.
Was nur vom Himmel kommt in gut und ſchlechten Tagen
129.
Im Reisfeld ſteht der Reis bis an den Hals im Waſſer
130.
Der Ochs vorm Pflug einher, und hinterm Pflug der Bauer
131.
Der Bauer hat die Noth, der Ochſe hat die Plage
132.
Herr Hunger legt das Fett auf einen magern Biſſen
133.
Im Waſſer liegt der Stein, und wird davon nicht weich
134.
Siehſt du das Taucherlein, wie flink es untertaucht?
135.
Wo ein Volkshaufen iſt, da iſt von Staub die Wolke
136.
Wer immer Anſpruch macht auf das was nicht beſchieden
137.
Des Menſchen Boͤs und Guts liegt nicht an Stand und Lage
138.
Mein Reiſethier iſt muͤd’ und weiter kann ich nicht
139.
Am Ende ſiehts ein Thor, ein kluͤgrer in der Mitte
140.
Wie anfangs man geirrt, das findet man am Ende
141.
Der Berg, der ſich im Licht ewig zu ſonnen glaubt
142.
Du mußt nicht auf den Leib zu nah den Bergen gehn
143.
Der Berg, von vorne ſteil, wird hinten leicht erklommen
144.
Nicht Großes nur iſt groß, nicht Kleines nur iſt klein
145.
Du fragſt, was von der Reiſ’ ich dir mit heim gebracht?
146.
Vergeſſen wird, wie was man ſieht, auch was man denkt