Die Blumen ſtanden friſch erquickt auf duͤrrer Au,
Denn jede hatt’ im Mund ihr Troͤpflein Morgenthau.
Das hatten ſie bei Nacht zur Tageskoſt empfangen.
Sie ſprachen: Schweſtern, laßt uns nun mit Wen’gem langen!
Lang iſt der heiße Tag, der uns verſengt die Glieder,
Und erſt der Abend bringt uns eine Labung wieder.
Sie wachten hin den Tag ſo ſtill alsob ſie ſchliefen,
Durchſchliefen kuͤhl die Nacht, erwachten fruͤh und riefen:
Wir armen Schweſtern, ach, heut muͤſſen wir verſchmachten,
Da die gewohnte Lab’ uns nicht die Stunden brachten.
Wir armen Schweſtern, ach! die goldne Morgenſtunde
Kam ſelber ohn’ ihr Gold, ohn’ ihren Thau im Munde.
Doch eine rief im Kreis: Still! junge Jahrespflanzen,
Ihr kennt die Stunde nur, und nicht die Zeit im Ganzen.
Ihr bluͤht am Boden hin, geweckt vom Fruͤhlingshauch,
Den Sommer durch zum Herbſt; ich aber bluͤh’ am Strauch.
Jung wie ihr ſelbſt, hab’ ich vor euch des Strauchs Bejahrung
Voraus, und ſo vernehmt die Stimme der Erfahrung:
Weil heut, auf den ihr hofft, der Thau nicht eingetroffen,
Deswegen grade duͤrft ihr nun auf Regen hoffen.
Die Mutter, deren Bruſt ihr bluͤhet eingeſenkt,
Die bald von unten euch und bald von oben traͤnkt;
Sie weiß am beſten wol, wodurch ihr Kind gedeiht,
Doch das verſchiedne gibt ſie nicht zu gleicher Zeit.
Wenn, eh zur Luft ſie ſteigt, Erdfeuchtigkeit zur Erden
Herabfaͤllt, wird ſie Thau, und kann nicht Wolke werden.
Wenn hoͤher ſteigt der Dunſt, euch nicht als Thau erquickt,
Dann wird fuͤr euch im Blau der Mantel grau geſtrickt.
Denn wenn die Mutter eins entzieht, gibt ſie dagegen
Das andre; da ihr Thau nicht kam, ſo kommt ihr Regen. —
Die Blumen lauſchten noch, da hoͤrten ſie es rauſchen,
Und hoffnungsvoller noch begannen ſie zu lauſchen.
Und als hernieder nun der Regenguß gerauſcht,
Da ſenkten ſie beſchaͤmt die Haͤupter ſuͤßberauſcht.