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Friedrich Rückert
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Die Weisheit des Brahmanen
(1836-39)
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Bd. 4
(1838)
Friedrich Rückert
(1788–1866)
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Die Weisheit des Brahmanen
(1838)
Viertes Bändchen
IX.
1.
Die Sonne ſteigt, mit Gott! und golden iſt der Oſten
2.
Wenn nur fuͤr fremde Luſt dein Wirken iſt beſtrebt
3.
Am Ende, wann du nun dich an der Welt genung
4.
Ein nachgeſprochenes Gebet kann etwa nuͤtzen
5.
Kein Kampf und keine Noth, kein Leiden, keine Fahr
6.
Wenn du im Schmerz, den du empfindeſt, ſchon die Ruh
7.
Am groͤßten iſt alsdann des Fleißigen Behagen
8.
Das Gaͤhnen, das, mein Sohn, beim Lernen dich beſchleicht
9.
Verſchweig ein Gluͤck, verbirg ein Ungluͤck, das du haſt!
10.
Kaum haſt du dich gefreut fehlloſer Jugendbluͤthe
11.
Das rechte Maß, wie man den Lehrling vorwerts treibt
12.
Nur ein Gedanken iſts, an welchen du gewoͤhnen
13.
So hilflos zu der Welt wird nie ein Thier geboren
14.
Mein Sohn, erwarte nicht, daß dich die Leute warnen
15.
Soll tragen mit Geduld dein Lehrling Lernbeſchwerden
16.
Du fragſt, ob du zum Heil der Welt und Wiſſenſchaft
17.
Nur eine Waffe gab jedwedem Thier Natur
18.
Das Leben iſt ein ſolch unſchaͤtzbar Gut, mein Kind
19.
Hat die Unendlichkeit nicht Raͤume ungeheuer?
20.
Dem der fuͤr Ungluͤck haͤlt, was ihn als ſolches gruͤßt
21.
Ein Irrthum abgethan ficht dich nicht weiter an
22.
Wie manchen prieſeſt du, was er nicht war, begluͤckt
23.
Wer einem Freunde klagt, erleichtert ſich das Herz
24.
Des Geiſtes Flitterſtaat, mein Sohn, iſt Neubegierde
25.
Zwei Einverſtandene haben ſich nichts zu ſagen
26.
Das Angenehme thut, wenns keine Frucht auch trug
27.
Deiner Beduͤrfniſſe Befriedigung gereicht
28.
Wo Ueberlieferung ununterbrochen waltet
29.
Den alten Malerſpruch erkoren hab’ auch ich
30.
Auswendig lernen ſei, mein Sohn, dir eine Pflicht
31.
Wenn an einander wir, o Freund, nicht oͤfter daͤchten
32.
Schon wieder hat der Baum der Hoffnung fehlgetragen
33.
Der Kaͤmpe wappne ſich, eh er zum Kampfe geht
34.
Vier Zeichen lehr’ ich dich, ſie ſind wol lernenswerth
35.
Lern zweierlei, mein Sohn, zu thun nach Ort und Zeiten
36.
Dich wundert, daß geſinnt ein jeder anders iſt?
37.
Erwaͤg’ an jeder Frucht, was dient zu deinem Male?
38.
Im eignen Hauſe kann man leichter ohne Licht
39.
Ein Feld iſt das Gemuͤth, und du biſt ſein Beſteller
40.
Ein Kindchen, das zuerſt auf ſeinen Fuͤßchen ſteht
41.
Laß gelten, lieber Sohn, was irgend gelten mag
42.
Viel wichtiger als was du haſt gelernt, mein Sohn
43.
Thuſt du dir was zu gut, ſo iſt dir wohl zu Muth
44.
Der Mond am Himmel iſt der Sonne beigegeben
45.
Nur ſelten oder nie begegnen auf der Fahrt
46.
Wen unerwartet Gluͤck mit Unmaß uͤberſchuͤttet
47.
Hier geb’ ich dir, mein Sohn, Gluͤck moͤge ſie dir ſchlagen
48.
Wenn dir ein Schritt entſchluͤpft iſt ein unebener
49.
Den Kruͤppel ſchilt man nicht, daß er nicht wandeln kann
50.
Du haſt ein gleich Gefuͤhl nicht immer deiner Kraͤfte
51.
Statt vieler gebe Gott dir Einen Freund, getreuen
52.
Am Tag des Gluͤckes wird ein kuͤhner Sprung dir gluͤcken
53.
Warum verehrſt du den? Weil ihn ſoviel verehren
54.
O ſchaͤme dich, zuruͤck von einem Wandelgang
55.
Du freueſt dich, mein Sohn, daß du in dieſem Orden
56.
Du thuſt, da du dir ſollſt die Unart abgewoͤhnen
57.
Nimm es dem Freunde nur nicht uͤbel, der ergrimmt
58.
Der Ueberſetzung Kunſt, die hoͤchſte, dahin geht
59.
In was du bildend dich wirſt ganzer Seele tauchen
60.
Du biſt, mein Juͤngling, nun in den Erobrungsjahren
61.
Nicht Neugier rath’ ich dir, die giert nur nach dem Neuen
62.
Was giebt es hier, um was des Volks Gedraͤng ſich haͤuft?
63.
Freigebig biſt du nicht, wenn du, was du nicht braucheſt
64.
Auf einen muͤden Tag wie labt die ſtille Nacht
65.
Villeicht, doch nur villeicht vollkommener vollendet
66.
Begriffen haſt du, doch damit iſts nicht gethan
67.
Du mußt nach oben ſchaun, zu ſehn, wie viel noch Stufen
68.
Ich rathe dir, wenn eng iſt deines Gartens Raum
69.
Du ſchoͤpf’ aus deinem Brunn und laß auch andre ſchoͤpfen!
70.
Wen man gern anerkennt, der wird gern anerkennen
71.
Die Hand, die dich begabt, ſieh an, nicht nur die Gaben
72.
Man ſchlaͤgt die Kinder nicht mit ſchon gebrauchten Beſen
73.
Druͤck manchmal zu ein Aug’! es iſt nicht ſchwer, der Flor
74.
Wie uͤbel ihr vergleicht! des Einen Wirklichkeit
75.
Ich lehre dich, mein Sohn! Nie uͤbe das, was uͤber
76.
Zwei Bettler liefen rechts und links am Reiſewagen
77.
Dein Gegner hat gemach ein ſchoͤnes Ziel erreicht
78.
Wenn dir ein weiſes Wort zu denken und zu ſchreiben
79.
O wiege dich nicht ein in traͤumenden Gefuͤhlen
80.
Verzage nicht, o Herz! die Luſt entſpringt aus Trauer
81.
Du biſt zu ſchwach, der Welt Ungleichheit auszugleichen
82.
Du kanſt, wenn etwa dir ein Großes iſt gelungen
83.
Gewinnen kan man nichts, ohn etwas zu verlieren
84.
Laß nur ein Staͤubchen Mehl beim Fegen im Mehlkaſten
85.
Es iſt ein Gluͤck ganz unverhofft dir zugefallen
86.
Man ſagt: ein ſaͤugend Kind, wonach zuerſt es ſtreckt
87.
Die Maske, die ein Thor zu eitlem Putz erkor
88.
Wenn du gefaͤllſt der Welt, wird dir die Welt gefallen
89.
Vergleiche dich nur oft nach unten und nach oben
90.
Wenn dir ein Gluͤck will nahn, o nenne nicht das Gluͤck
91.
Wer aus dem Hauſe geht bei fruͤher Morgenhelle
92.
Weltklugheit raͤth dir an: verachte keinen Mann!
93.
Am ſchoͤnen Tage nimmſt du dir die Reiſe vor
94.
Du ſtehſt am Strand, und ſiehſt noch ringen mit den Wogen
95.
Der Raſen, geſtern duͤrr, verſengt von Sonnenglut
96.
Dein iſt nicht, was du haſt; das was du thueſt, iſt
97.
Ein Grund der Bildung iſt dir an- und eingeboren
98.
Wir alle ſind getaͤuſcht von einer Zauberbinde
99.
Die gute That befreit, die boͤſe That beſtrickt
100.
Und ſaͤheſt du auch Tod und Weh im Leben nie
101.
Sei wie die Biene nur zu keiner Stunde muͤßig!
102.
Du fuͤhlſt, durch Irrthum nur kannſt du zum Ziele kommen
103.
Ein Bruchſtuͤck immer iſt des einzlen Mannes Wiſſen
104.
O ſeliges Gefuͤhl, zu fuͤhlen daß du lebeſt
105.
Geldhunger nicht allein hat nie geſtopft den Mund
106.
Geh auf die Reiſe, Freund! Der dir das Reiſen preiſt
107.
Auf Reiſen willſt du gehn? was willſt du ſehn auf Reiſen?
108.
Von Ueberzeugungen ein feſter Grund gelegt
109.
Komm nur, du biſt ein Knecht, und ſei ein fleißig treuer!
110.
Die Locken, die du jung dir von der Stirn mußt ſtreichen
111.
Was iſt das Licht, das hold des Daſeyns Nacht erheitert?
112.
Der Seele Saiten, wann ſie dir am feinſten ſind
113.
Wer ſich als Menſchen fuͤhlt, und tief in ſich empfindet
114.
Der ſchlimmſte Neider iſt, der das ſich laͤßt verdrießen
115.
Ein tugendhafter Mann denkt nie, weil es vergebens
116.
Was dir mit Einem Mund bewundernd alle preiſen
117.
Was gibt Behaͤglichkeit dir in des Lebens Kreiſen?
118.
Wer hat es nicht erlebt, daß etwas tief ihn kraͤnkt
119.
Nichts ſonderliches wird er lernen, der verſtehn
120.
Unſer Gedaͤchtniß iſt wie eines Wirthes Zimmer
121.
Von keinem fuͤhlſt du mehr als einem dich beſchwert
122.
In einem Irrthum biſt du immer noch befangen
123.
Ich weiß es nicht, ob ſo ſich allgemein verhaͤlt
124.
Weißt du, was Liebe ſei? Daß eine dir gefallen
125.
Die beſſre Seel’ iſt nicht, die nur hat beſſre Kraͤfte
126.
Erkenneſt du, wohin auf oder niederſtrebt
127.
Nur auf die Lebensfahrt nicht viel Gepaͤck-Geſchleppe!
128.
Ich denke, daß auch dich zu Zeiten noch verwirret
129.
Ich preiſe laut die Stadt, die nicht zwar mich geboren
130.
Den hoͤchſten Menſchenſinn, das Augenlicht zu miſſen
131.
Was man nicht aͤndern kann, ſoll man nicht aͤndern wollen
132.
Mit Staunen ſeh’ ich, daß ihr zwei Geſichter macht
133.
Den Einzelheiten mußt du nie ſoviel erlauben
134.
In dieſem Spiel des Gluͤcks, in welchem keiner kann
135.
Du biſt zu ſehr geneigt, andre nach dir zu richten
136.
Das Schlimme laͤßt nicht gut ſich machen, aber immer
137.
Wenn ſich ein Lehrer muͤht, um etwas dir begreiflich
138.
Weißt du, was jedem frommt? Laß, was ihn mag ergoͤtzen
139.
Halt ein Paar Freund’ im Haus, das Wiſſen und den Glauben
140.
O uͤberheb dich nicht wie jener Phariſaͤer
141.
Wo in Behaglichkeit ſich darf die Seele wiegen
142.
Die Luſt der Welt iſt durch das Chriſtenthum verdorben
143.
Wir ſind in einem Streit, der nicht zu ſchlichten iſt
144.
Ihr geht, und glaubet euch vollkommen Herr im Haus
145.
Der ſchoͤpferiſche Geiſt fuͤhlt ſich nicht in der Welt
146.
Wenn du von Seel’ und Leib dich fuͤhlſt im Gleichgewicht
147.
Dem Kinde magſt du ſchwer den Mond am Himmel zeigen
148.
Wer lehrt der jungen Schwalb’ im Neſt die Fliege kennen
149.
Des Kindes Unart ſcheint dir artig im Beginn
150.
Mit Kindern brauchſt du nicht dich kindiſch zu geberden
151.
Ich ſaß am Buſch und ſah hervor ein Haͤslein ſchlupfen
152.
Du wuͤnſchteſt wol ein Stuͤck der Erde dein zu nennen
153.
Im ſchoͤnſten Herbſt, wo klar ſo Mond als Sonne war
X.
1.
Mir iſt im Muͤßiggang ein Monat hingegangen
2.
Jahrpflanze, die du lebſt und ſtirbſt im Jahreskreiſe
3.
Einſt wird die Poeſie zur Kinderkrankheit werden
4.
In einem Irrthum ſeh’ ich euch befangen alle
5.
Willſt du geheiliget, vergoͤttert ſeyn in Schriften
6.
In einem Stuͤcke ſind mit euch wir einverſtanden
7.
Was einen Dichter macht? das hohe Selbſtgefuͤhl
8.
„Der Lorberkranz iſt, wo er dir erſcheint, ein Zeichen
9.
Im fuͤrſtlichen Palaſt des Feſtes Schaugepraͤnge
10.
Was wirkte groß und wirkt, kann in ſich ſeyn nicht nichtig
11.
Wenn wir erwaͤgen Zeit und Ort, wo jeder ſteht
12.
Der Raum wird in der Welt nach Eiſenbahnanlegung
13.
Die Jugend und die Macht berauſchen ſchon allein
14.
Ein edler Koͤnig ſprach: des Fuͤrſten Schaͤtze ruhen
15.
Auch mir will oft das Haupt der Greiſenwahn umduͤſtern
16.
In Mekka, floh er nicht, ſie haͤtten ihn geſteinigt
17.
Des Landes Grenz’ iſt nicht geſchickt ein Fluß zu bilden
18.
Ein alt baufaͤllig Haus kann man durch Pfeiler ſtuͤtzen
19.
Die Zukunft ſteht verhuͤllt ſchon in der Gegenwart
20.
Ihr Fuͤrſten, die ihr euch der Erde Goͤtter nennt
21.
Die Hoͤlle Dante’s hat mich weiland ſehr empoͤrt
22.
Wo nicht, wie Moſis Stab die andern Staͤbe fraß
23.
Wie zu vereinigen iſt all der Sekten Heer?
24.
Zwei Kampfparteien ſtehn im Feld der Gegenwart
25.
Nichts Greuelvollres iſt berichtet im Berichte
26.
Mein Europaͤer, wenn du einen Weg dir bahnen
27.
Leicht waͤre chriſtliche Religion zu gruͤnden
28.
Die Glaubenseiferer, geſendet aus dem Weſten
29.
Die Mutter gibt zum Feſt den lieben Kindern Gaben
30.
Am Weihnachtabend ſind die Kinder zu beneiden
31.
Wikramaditia, Hinduſtans Oberkoͤnig
32.
Das ſtille Volk, das ſonſt im Fruͤh- und Abendſtral
33.
Zuerſt erſchaffen ſind die Zwerg’ im oͤden Grauen
34.
In Perſiſch und Sanskrit, in Griechiſch und Latein
35.
Du kannſt in der Natur nicht ein Gebilde ſtreichen
36.
Entweder iſt mein Blick nur gegen euern ſtumpf
37.
Nicht eine Stimme nur in dir warnt dich vorm Boͤſen
38.
Die Strenge ſagt, der Grund des Irrthums ſei die Suͤnde
39.
Nun dieſes fehlte dir allein, um froh zu werden
40.
Das Wiſſen iſt ein Quell, der unverſieglich quillt
41.
Es gibt ein Jenſeit, das herein ins Diſſeit reicht
42.
Ob Himmliſche das Leid zu deinem Beſten ſenden?
43.
Wo wareſt du? Ich ſchlief. So wird an dir ſich ſtrafen
44.
Was iſt unwandelbar als Wahrheit ausgemacht?
45.
Laß troͤſten dich, mein Sohn, fuͤr eines Augs Verluſt!
46.
Als die Erſcheinungen dir allererſt erſchienen
47.
Im Allgemeinen wird der Geiſt mir ſchwindeldumpf
48.
Triumf! das Leben ſiegt; Triumf! der Tod erliegt
49.
Der Menſch iſt nicht gemacht, zum Himmel aufzufliegen
50.
Anſchauung, wo ſie fehlt, mag etwa Geiſt erſetzen
51.
Sag’: Ich bin Ich! Und wie du ſageſt, fuͤhl’ es auch
52.
Wer etwas weiß, der iſt darum kein Weiſer noch
53.
Ich wußte nichts, da glaubt’ ich etwas doch zu wiſſen
54.
Es gibt der Dinge viel, von denen, ſtatt zu wiſſen
55.
Ihr wollt doch uͤberall etwas Apartes haben
56.
Es nutzt nicht daß du rein und klar wie Waſſer ſeiſt
57.
Wie ſich ein Hausherr freut zu ſehn ein Kinderpaar
58.
Zwei, die ſich lieben, ſind einander ſo unaͤhnlich
59.
Es iſt ein ſchoͤner Traum, im Anfang der Natur
60.
Wenn jene haben Recht, die in des Lebens Mitte
61.
Der Welt Anſchauungen, der Dinge Sinnabdruͤcke
62.
Du ruͤſteſt dich umſonſt mit allgemeinen Saͤtzen
63.
Was jegliches Gemuͤt als klaren Kern enthaͤlt
64.
Gewis iſt was der Mund der heil’gen Lieder ſpricht
65.
Der Fruͤhling gruͤßt die Erd’ und macht die Hoffnung gruͤn
66.
Du geheſt ein in mich, und ich geh in dich ein
67.
Du fuͤhlſt, du biſt aus Gott, doch haſt du nicht vernommen
68.
Wie Bluͤten aus dem Baum, wir Stralen aus der Sonne
69.
Die Sonne ſtralet Glanz, der ſie als Wolk’ umſchwebt
70.
Was ruͤhmſt du dich, daß du nach Geld und Gut nicht trachteſt
71.
An Kindern hab’ ich oft bewundert, wie in Bildern
72.
Die Goͤtter lieb’ ich nicht, die uns die Sagen gaben
73.
Die Goͤtter nahen gern dem Menſchenaufenthalt
74.
Voll Goͤtter iſt die Welt, die alle ſind zuſammen
75.
Was iſt wahr oder falſch an innrer Offenbarung?
76.
Ich hab’ ein ſchlichtes Buch geleſen, unverziert
77.
O wende dich an das, mein liebendes Gedicht
78.
Die Welt iſt Gottes unausdenklicher Gedanke
79.
Ungluͤcklich iſt nicht, wer der Erde Gluͤck verlor
80.
Die Ewigkeit umfaßt die Ewigkeit allein
81.
Was thut ihr denn alsob ihr neu die Welt gemacht
82.
Unendlich iſt zugleich und endlich jedes Ding
83.
Das Allgemeine ſchwebt dem Geiſt beſtaͤndig vor
84.
Nur eine Liebe giebts auf Erden ohne Leid
85.
Vier Kraͤfte nenn’ ich dir am Menſchen, mangelhaft
86.
In allen Zonen liegt die Menſchheit auf den Knien
87.
In einer Wuͤſte fließt ein Quell durch Gottes Kraft
88.
Den Menſchen gnuͤget nie, was Menſchen wiſſen koͤnnen
89.
Du biſt in Gottes Rathsverſammlung nicht geſeſſen
90.
Wer immer auf der Hut, ſich zu vertheidigen
91.
Botaniker zugleich wer iſt und Aſtronom
92.
Der Wahrheit treu zu ſeyn, die du in dir empfindeſt
93.
Ob gut ob boͤſe ſei ein Geiſt, von dem du dich
94.
Wenn du Vertrauen haſt, gereicht es dir zum Heile
95.
Such’ alles, was du machſt, aufs beſte nur zu machen
96.
Nie auf den Gegenſtand wird ganz ein Urtheil paſſen
97.
Beim Hauch des Morgens und der Mitternaͤchte Schauer
98.
Mit Andacht lis, und dich wird jedes Buch erbauen
99.
Statt dich zu zanken mit den eigenen Gedanken
100.
Der Menſch ſoll alles, nur ſich ſelber nicht, aufgeben
101.
Die Haltung fehlt; was hilfts ob ein Gehalt ſich findet
102.
Was du ſolang erhofft, wann es nun endlich kam
103.
In Allahs Paradies, wie ſein Profet verhieß
104.
So oft du wieder treibſt, was du einmal getrieben
105.
Leichtglaͤubigkeit iſt nicht nur Mangel an Verſtand
106.
Zu ſeinem Ebenbild ſeit Gott den Menſchen ſchuf
107.
Wie wenig iſt was die einander hier doch geben
108.
Nun nachgerade bin ich dieſes Daſeyns ſatt
109.
Schon oͤfter hab’ ich dir in Raͤthſeln vorgetragen
110.
Aus zwei Verneinungen wird eine Wortbejahung
111.
Nicht von Unwiſſenheit genuͤgt es frei zu ſein
112.
Nun ward es dir, wonach du Jahrlang dich gegraͤmt
113.
Zweifl’ und verzweifle nicht an deines Gottes Huld
114.
Mein Sehnen ſtrebet vor, und ſtrebet nicht zuruͤck
115.
Und meineſt du daß dich die meiſten hoͤren werden
116.
Beim Lichtanzuͤnden ſprich: Willkommen ſei die Nacht
117.
Du biſt der Naͤchte Licht und biſt des Tages Schatten
118.
Menſch, ruͤhme dich nicht ſtolz, daß du ein Gut gewannſt
119.
Was Menſchen Vorſicht heißt, iſt ſchlecht von Menſchen denken
120.
O fuͤhle dich, du fuͤhlſt, du biſt von allen Seiten
121.
Was feindlich iſt der Welt, das magſt du feindlich haſſen
122.
Sprich, wie der Muſelman im Ungluͤck und im Gluͤck
123.
Singvoͤgel ſind es nicht, die lernen Woͤrter ſprechen
124.
Ich weiß wol einiges und weiß es ganz gewis
125.
Und wenn ihr fragt, warum wir euch kein Ganzes geben?
126.
Es iſt ein alter Spruch: das beſte Leichentuch
127.
Flieh hier Leichtglaͤubigkeit, und dort die Zweifelſucht!
128.
Gar viele Wege gehn zu Gott, auch deiner geht
129.
O fuͤhle dich, mein Geiſt, von Geiſtern ſtets umgeben
130.
Unbillig klageſt du, zu wenig ſei dir kund
131.
Die Weisheit lehr’ ich dich, die mich das Leben lehrte
132.
Du thuſt, begluͤckter Freund, ein Buͤchlein leichter ab
133.
Um Neujahr hatteſt du, wie mir dein Buͤchlein ſagt
134.
Wenn du dich lebenslang beſchaͤftigeſt mit Woͤrtern
135.
Mit Freuden greifeſt du nach allen neuen Bildern
136.
Du kannſt denſelben Sinn in viele Bilder ſenken
137.
Dich irrt der ew’ge Krieg in Waſſer, Luft und Erden
138.
Du glaubſt, was ich nicht glaub’, und glaubſt nicht, was ich glaube
139.
Das Jenſeits kannſt du in beliebigen Farben malen
140.
Dein hoͤchſtes Leben ſei zu leben gottbewußt
141.
Nicht triftig ſchienen mir von Gottes Guͤt’ und Macht
142.
Das Leben iſt zu kurz, um alles zu erlernen
143.
Wie oft nicht hab’ ich ſchon, von dunklem Drang getrieben
144.
Du nimmſt die Gruͤnde nach einander einzeln vor
145.
Die Liebe, wie ein Kind, liebt art’ge Plauderei
146.
Such’ etwas Schoͤnes dir nur immer aus vom Gang
147.
Wenn du verachten willſt, was andre vor dir dachten
148.
Zu eurer Finſtrelei bekehret ihr mich nicht
149.
Dein Geiſt kann nicht umhin, aus allem was gelungen
150.
Die Groͤßenlehre wol und Verskunſt hat gleichlaͤufig
151.
Ich ſehe klar genug, was ich zu ſehen brauche
152.
Um Misverſtaͤndniſſe, ihr Freunde, zu vermeiden
153.
Der Menſch weiß mehr, als er von ſelber wiſſen koͤnnte
154.
Du biſt, mein Filoſof, vollkommen uͤberzeugt
155.
Der Dichter waͤr’ ein Gott, und zu begluͤckt ſein Loß
156.
Die Selbſthochachtung wird zur Selbſtverachtung treiben
157.
Weltweisheit iſt ein Wort, hat weder Sinn noch Kraft
158.
Die Lehre, wenn ſie dir von Herzen widerſtrebt
159.
Du ſagſt, und weißt nicht was du ſagſt: Vielgoͤtterei!
160.
Von allen Dingen der Natur der Menſch iſt eines
161.
Ich wuͤnſche, daß dein Gluͤck ſich jeden Tag erneue
162.
Wenn alles Menſchenthuns iſt Wurzel Eigennutz
163.
Was iſt Verneinung wol im Denken und im Wort?
164.
Ob Gott verborgen dir erſcheint in der Natur
165.
Aus Einer Wurzel ſprießt, aus Einer Quelle fließt
166.
Wie von der Sonne gehn viel Stralen erdenwerts
167.
Die Weſen unter ſich ſind ſtets im Widerſtreit
168.
Verzeiht, was ich gefehlt, ich hab’ es gut gemeint
169.
Sie ſagen, werther Freund, du ſeiſt ein großer Heuchler
170.
Woher nimmſt du den Muth, von neuem vorzutragen
171.
Ein Koͤnig moͤcht’ ich ſeyn, ein Herr der Morgenlande
172.
Der Markwart Perſiens, als er zum Omar kam
173.
In allen Zonen hat gebluͤht und bluͤht noch jetzt
174.
Den Aberglauben auch, den ich durchaus nicht preiſe
175.
Was ungeleſen ich zu laſſen mir erlaube?
176.
Dein Streben ſei, o Sohn, ein innres Gutes frei
177.
Es iſt nicht immer noth, (der Meiſter hats geſprochen)
178.
Es iſt ein wahres Wort: der Kuͤnſtler wird geboren
179.
Befreie deinen Geiſt! Dies iſt dein hoͤchſter Hort
180.
Der alte Meiſter ſpricht: Die Schwaͤch’ iſt zu bedauern
181.
O Wunder, oft ſchon ſtand hart an des Abgrunds Rand
182.
Du trugeſt, daß der Freund verreiſt war, ohne Klagen
183.
Gelegenheitsgedicht iſt zu verachten nicht
184.
Der Buͤcher ſind zu viel, um noch ſo viel zu gelten
185.
Den Nachbar halte werth, den Nachbar halt in Ehren!
186.
Zu guter Nachbarſchaft gehoͤrt nicht das allein
187.
Sonſt da mich jeder ſchalt, und keiner faſt mich lobte
188.
Demuͤtigung iſt auch von Demut eine Art
189.
Wer ſtolz auf Vorzuͤg’ iſt, fuͤhlt irgend ein Gebrechen
190.
Ein niedrer Sinn iſt ſtolz im Gluͤck, im Leid beſcheiden
191.
Vollendet wird hier nichts, nichts aber kann gelangen
192.
Die Pflanze hat das Jahr zum Leben das ſie lebt
193.
Manch falſches Wiſſen auch ſollt ihr bei mir nicht miſſen
194.
Im Steigen iſt die Zeit, auch wo ſie ſcheint im Sinken
XI.
1.
Gar manches ſagt nicht rein brahman’ſches der Brahman
2.
Erbauen laͤßt ſich nicht, ſo daß ſie ſteht und haͤlt
3.
In der Neujahrsnacht fuhr ich durch verſchneite Flur
4.
Der Millionen, die nun auf der Erde wohnen
5.
Der Tod ein Schauder und Entſetzen der Natur
6.
Dem Lichte, daß es brenn’, iſt noͤthig Fett und Docht
7.
Das Bischen Dichterruhm, die ſpaͤte Spaͤtherbſtaſter
8.
Groß iſt die Aehnlichkeit von Seel’ und Schmetterling
9.
Der Poſtbot’ in ein Haus mit zweien Briefen rennt
10.
Erhebe dich, mein Herz, mit Wogenſchlag, und gleiche
11.
Ich dachte nun erſt warm im Alter dich zu pflegen
12.
Oft zu verſpotten ſcheint das Schickſal unſern Plan
13.
Die Mutter haſt du mir, den Vater noch vorab
14.
Weil ich kein Weltkind bin, nicht habe Weltverſtand
15.
Soviel hab’ ich gelernt: ich darf auf gar nichts zaͤhlen
16.
Kein Schaden kann dich je betreffen in der Nacht
17.
Du mußt zuviel nur von den Freunden nicht verlangen
18.
Es iſt ein wahres Wort: Wer glaubt, der wird betrogen
19.
Wie ſchwer entſchlaͤgſt du dich, ein gleiches andern an
20.
Ungleich geſtellt ſind Gluͤck und Ungluͤck in dem einen
21.
Ja, ja, du ließeſt gern dir jede Noth abnehmen
22.
Auch in der boͤſen Zeit iſt Gutes nicht verſchwunden
23.
Die hier am lauteſten erſchollen und erklungen
24.
Nein, nein! weil alles ſchlimm dir iſt bisher ergangen
25.
Vergeblich alles, was du fuͤr die Welt gebildet
26.
Wie unertraͤglich dir die leeren Tage waren
27.
Nicht der iſt gluͤcklich, den ein Ungluͤck nie geſchlagen
28.
Das Sprichwort auch iſt wahr: wer ſitzet in dem Roͤhricht
29.
Die Heerde weidet und der Hirte weidet ſie
30.
Den Ausſpruch hat zuerſt ein ſtarr Geſetz gethan
31.
Was willſt du mit der Welt? Du kannſt ſie nicht durchmeſſen
32.
Das Eine, das du liebſt, wird dir vom Tod entzogen
33.
Die Sterne moͤgen dir aus Winternaͤchten blinken
34.
Ich unterhalte mich ſo oft in meinen Liedern
35.
Gott theilet, wie er will, die Guͤter aus hienieden
36.
Gott leitet, wen er will, und laͤſſet irre gehn
37.
Nie ſicher iſt, wer um mit falſchen Liſten ſpringt
38.
Seht, wann die Sonn’ aufſteht, bis wann ſie untergeht
39.
Laß deinen Arm nicht ſchlapp am Leibe niederhangen
40.
O geh nicht ſtolz einher auf Erden! denn nicht birſt
41.
Wir haben, ſpricht der Herr, der Erde Schmuck bereitet
42.
Die Welt iſt oͤd’ und leer, und grenzenlos der Raum
43.
Was iſt zu wiſſen werth, was iſt nicht werth zu wiſſen?
44.
In einem biſt du mit dir uneins fort und fort
45.
Gemeinverſtaͤndlich ſei ein Buch, das zur Erbauung
46.
Wie oft verirrteſt du, wie oft verirrſt du noch
47.
Leicht iſt’s, mit der Natur im Einklang dich empfinden
48.
Was haͤlt den Vogel, der in Luͤften ſchwebt, am Band
49.
Der Finke, der am Weg ein trocknes Koͤrnlein haſcht
50.
Das weiße Grabtuch, das der Schnee auf’s Gruͤn gedeckt
51.
Wer in dem Winter ſtirbt, warum ſollt’ er nicht ſterben
52.
Wieder ein Strebender, der hohes wol und vieles
53.
Ja ſuch’ in deines Volks Ruhmtempel nur zu prangen
54.
Schoͤn iſt es uͤberall, ein Stellvertreter ſeyn
55.
Nun hab’ ich erſt gelernt, daß ich bin Staub und Erden
56.
Wie eine lange Nacht die Feldwacht auf dem Poſten
57.
Ein Freund, um irdiſchen Gewinnſtes Opferung
58.
Wohl iſt’s ein ſuͤß Gefuͤhl, etwas gethan zu haben
59.
Dich ruͤhrt auch gar nichts an von all’ den Herrlichkeiten
60.
In meiner Einſamkeit da kann ich ohne Schaden
61.
Wie alt iſt Gottes Welt? Die Rechnung magſt du ſparen
62.
Mag doch aus Neubegier und Luſt am Wechſel reiſen
63.
Juͤngſt ruͤhrte zwiſchen Schlaf und Wachen mich ein Schimmer
64.
Fruͤhzeitig wardſt du in die Schule dieſes Lebens
65.
Und nur durch Eines haſt du dich als Kind verrathen
66.
Wol goͤnnen darf ich’s dir, daß du vor mir gegangen
67.
Gott, der dir manches Leid im langen Leben gab
68.
O weg von deiner Stirn die Gramumduͤſterung
69.
Was du noch nicht erſchwangſt, das kannſt du noch erſchwingen
70.
Das Opferfeuer brennt, das nie erloͤſchen darf
71.
Wenn du fuͤr dich allein und deinen Frieden ſorgteſt
72.
Sprich es nicht aus, noch mit Gedanken denk’ es aus
73.
Wohl mag es dir Verdruß erwecken oder Bangen
74.
Nicht minder als verſtehn, will man verſtanden ſeyn
75.
Die Welt ohn’ Arbeit waͤr’ ein Freudenaufenthalt
76.
Welch eine Sprach’ iſt ſchoͤn? Welch eine Sprach’ iſt reich?
77.
In beſſern Zeiten war die Poeſie im Frieden
78.
Wie kommt es, da du doch gern hoͤrſt das Waſſer rauſchen
79.
Das Allgemeine zum Beſondern zu geſtalten
80.
Wenn du ergreifen kannſt des Augenblickes Stimmung
81.
Bewieſen hat ein Freund von Geiſterſeherei
82.
Umſonſt ereiferſt du dich gegen etwas heftig
83.
Sieh, wie der Schieferſtift auf Schiefertafeln geht