106. Geh auf die Reiſe, Freund! Der dir das Reiſen preiſtAus Saadi’s Reiſeſpruͤchen.Geh auf die Reiſe, Freund! Der dir das Reiſen preiſt,Der hat es auch erprobt, der Saadi war gereiſt.Nicht Eine Roſe gibts, nicht Einen gruͤnen Baum;Voll Baͤume ſteht die Welt, voll Roſen bluͤht der Raum.Was willſt du wie ein Huhn im Hofe Koͤrner klauben,Wenn du dich ſchwingen kannſt frei in die Luft wie Tauben?Die Schnecke reiſt bequem, ſie reiſt mit ihrem Haus,Dafuͤr ſieht ſie nicht viel, und kommt nicht weit hinaus.Gefaͤhrten ſuch’ ich mir, die etwas mit mir wagen,Nicht einen Reiſefreund, des Buͤndel ich ſoll tragen.Der Seele Kraft beſteht im Trachten und Betrachten;Betrachten ſollſt du viel, doch nicht nach allem trachten.Durcheilſt du alles ſchnell, ſo wirſt du vieles ſehn;Das Eine ſiehſt du recht, bleibſt du beim Einen ſtehn.Ein kluger Wandersmann ruht aus am Scheidewege;Da ruh’ ich nicht umſonſt, indes ich uͤberlege.Viel beſſer aber iſts auf gut Gluͤck irre gehn,Als bis zum Untergang der Sonn’ am Scheidweg ſtehn.Ich habe viel geirrt, ich hab’ auch viel getroffenBeim Irren, was nicht war auf gradem Weg zu hoffen.Ich ſehs, daß ich gefehlt; was hilft, daß es mich reute?Das Geſtern fraß der Fehl, ſoll freſſen Reu das Heute?Mach’ es ſogut du kannſt; und haſt du’s ſchlecht gemacht,So preiſ’ in Demuth Gott, der Alles recht gemacht.