Erstes Lied
Und warum nicht, heitere Muse,
Lied und Lob dem Carnevale?
Bienen konntest du besingen,
Konntest schöne Frauen ehren,
Selbst den Duft der Blumen preisen –
Und warum nicht all die Schwärme
Lust’ger, honigsüßer Feen,
Rom in Kränzen und in Blumen?
Nein, dem trunknen Taumel geb’ ich
Ungescheut mich hin, und singe,
Singe meiner Lieder Weise;
Wenn sie auch im Vaterlande
Drob mich einen Thoren schelten,
Dennoch sing’ ich, denn sie kennen
Solche Lust und solch ein Fest
Nur im Land der ew’gen Freude.
Doch, was wünsch’ ich mir zum Liede?
Der Bacchantin Glut, des Gottes
Brennend allbegeisternd Feuer?
Oder deine Götterschalkheit,
Aristophanes, ein wenig
Nur vom Geiste deiner Maske?
Wünsch’ ich, Grazien, eure Huld,
Eure Schönheit, holde Veilchen?
Und begreift ihr’s nicht, und wolltet
Ihr dem trunknen Sänger zürnen,
O ihr sah’t von Samnesertes
Obeliskus bis zum Grunde
Zu des Kapitoles Stufen,
Sah’t noch nicht die goldgestickten
Bunten Purpurteppiche
Von Balkon und Fenster wehen.
Schweiget still, ich bin im Süden;
Weiße Flocken stäuben nieder,
Aber welch ein Schnee? o schweiget!
Ja, es ist ein wilder Hagel,
Doch von Zucker, und die Erde
Deckt er weiß, von Frauenhänden
Träuft und stürmt er süß herab,
Und bedeutet Frühlingstage.
Blumen fliegen auf und nieder;
Ist es nicht, als strömten junge
Neckisch kecke Liebesgötter
Einen Regen hier von Rosen,
Dort von Veilchen in die Straße;
Nicht, als schleuderten sie lachend
Im Triumph auf Tausende
Zart verwundende Geschosse?
Hat vielleicht die Abendsonne
Schön’re Farben, oder fänd’ ich
Bunter noch die Mädchenreihen,
So unübersehbar schimmernd,
Wie sie sind? Der Sel’gen Jubel
In Elysium, er klänge
Wohl harmonischer als dies
Tausendstimmige Geschrille?
Wo die Wirklichkeit zu finden,
Das Gewöhnliche? Verzaubert
Ist die Welt; der Mensch, er wandelt
Wunderbar in seine Träume,
Seine Wünsche, seine Sehnsucht,
Seine Phantasie verkleidet,
Wie er ist, er will sich nicht,
Wie er möchte sein, nur zeigen.
Nur ein flüchtiger Bewohner
Dieser Welt, zum Scherz geboren,
Zum Moment, will er sein Dasein,
Gleich dem Schmetterling genießen,
Und dem dumpfen Haus der Puppe
In vollendeter Entfaltung
Nun entnommen, flattert er
Buhlend unter seinen Blumen.
Jene mächtigen Paläste,
Nur zur Lust des Augenblickes
Scheinen sie gebaut, es gibt ja
Kein Bedürfniß mehr, und Alles
Dient dem Schwärmer nur zur Feier
Seines Daseins, Noth und Sorgen
Kannte ja die Puppe nur,
Nicht der schmucke Sommervogel.
Und des eignen Lebens denk’ ich,
Jenes schnell zerfloßnen Zaubers
Meiner Kindheit, da die Erde,
Da der Mensch mit seinen Räthseln
Noch so farbenreich und magisch
Dem befang’nen Sinn erschienen,
Der Genuß der Gegenwart
Mir das ganze Leben dünkte.
Zweites Lied
Siehe doch die Stadt der Gräber
In bacchantischer Entzückung!
Rom verjüngt sich, Kindertage
Lebt es wieder, und ich folgte
Nicht dem Strome dieser Freude,
Die in allen Straßen wüthet,
Würfe keinen Feuerbrand
In die allgemeine Flamme?
Einsam stehn die alten Tempel
Um den Palatin, verlassen
Von dem mächtigen Geschlechte,
Das sie einst verehrt, verlassen
Von der Mitwelt selbst; dem Corso
Wälzt aus dem Vulkan der Freude
Sich die wilde Strömung zu,
Schwellend durch gedrängte Gassen.
Drum hinweg mit Ernst und Trauer,
Selbst den ehrbarsten Gedanken
Nennt man heut’ nur Grille; laßt mich
Frisch ins taumelnde Gewimmel,
Frisch ins brausende Gewoge;
Wie man sonst der Narren lachte,
Lacht man heut’ mit vollem Recht
Eines trockenen Verständ’gen!
Fürchte nur, dich zu verlieren;
Wie im Meer ein Regentropfen,
So vergehst du hier, und keiner
Fragt nach deinem Rang und Wissen,
Aller Bande der Gewohnheit
Ist der Mensch nun los, die Willkür
Wird Gesetz, und lüstet dich’s,
Kannst du auf dem Kopfe gehen.
Armuth gibt’s nicht mehr und Reichthum.
Eine Maske deckt sie beide,
Und geduldig nimmst du jeden,
Wie er scheint; Gesicht und Hülle,
Wort und die Geberde tauschen
Die Geschlechter selbst, das Alter
Lächelt dich in Locken an,
Und die Jugend geht an Krücken.
Was die Welt im Ernst getrieben,
Und was Geist und Hand beschäftigt,
Nur zum Scheine, nur zum Scherze
Trägt man Alles dir vor Augen,
Hier der Gärtner seine Blumen,
Der Gelehrte seine Bücher,
Seine Medicin der Arzt,
Und der Landmann seine Früchte.
Aus der Erde fernsten Strecken
Kommen bunte Völkertrachten,
Mahomskinder, Mohrenprinzen,
Aethiopische Gesichter,
Und um ganz dich zu verwirren,
Schickt das Reich der Fabel Gnomen;
Widerstehe, wenn du kannst,
Allerliebsten jungen Feen.
Von den fliehenden Gestalten
Glückt es keine dir zu fesseln;
Diese möchtest du verfolgen,
Jene lockt dich an. Vergebens!
Wesenlose Schattenbilder,
Schwinden sie hinweg, gehören
Nur sich selber an, und du
Bist allein zurückgeblieben.
Und des eignen Lebens denk’ ich,
Jener Zeit, da ihre Bilder
Mir die Welt, und seine Tiefen
Das Gemüth, da mir die Menschheit
Ihre Thaten aufgeschlossen,
Da vom Reiche der Lebend’gen
So viel herrliches sich stolz
Im Gemüthe mir gesammelt.
Da der Mensch und alle Dinge
So phantastisch noch im Dufte
Mir erschienen, da sie alle
Noch sich glichen, da die Masken
Mich getäuscht, da ich nach allen
Mit vermeßnem Wahn gegriffen,
Und von tausenden mir nichts
Als mein eignes Selbst geblieben.
Drittes Lied
Aber was am schönsten wäre,
Was am würdigsten, des Sängers
Lied ein Gegenstand zu werden,
Was es schmückte, wie ein Frühling
Mit der wunderreichsten Blüte,
Wär’ es leicht nicht zu errathen?
Roms gepries’ne schöne Frauen,
Wer vernahm nicht oft von ihnen?
Wen erfreut’ ich nicht, mit Feuer
Ihr begeisternd Lob beginnend?
Wüßt’ ich nur, wohin die Augen
Und den Klang der Lieder richten,
Ob empor zu buntbehang’ner
Glänzender Balkone Wunder,
Ob zu jener beiden Reih’n
Miglienlangem Farbenglanze?
Ob in rasselnden Carossen
Frauenschönheit ich bewundre?
Gar zu reizend däucht mir jene,
Mit der Feder Schwanenwallung
Einer Königin zu gleichen,
Doch zu hoch dem armen Sänger,
Der im Volksgewühle treibt,
Scheint sie fast auf dem Balkone.
Wend’ ich meine Blicke lieber
Albanesischen Gestalten
Trunken zu! Beim Gott der Liebe,
Schöner sind sie wohl als jene!
Welche Tracht! Der Vorwelt Weiber
Sind sie, oder gar der Fabel,
Und an solchem Busen nur
Konnt’ ein groß Geschlecht entstehen.
Blumen lächeln aus der Haare
Rabendunkel, und des Schleiers
Weiße Masse senkt sich üppig
Auf ein Schulternpaar, wie Marmor,
Und aus hochgeschwelltem Tuche
Tritt ein Nacken, dessen Reize
Nur des großen Donn’rers Arm
Zu umschlingen würdig scheinet.
Und ich staune, wie versteinert
Bleib’ ich stehn, der Rosse Schnauben
Und der tönenden Carossen
Und des wirbelnden Gewühles
Wenig achtend. Sieh’, es fliegen
Blumensträuß’ ihr zu, und alles
Wildgedrängte Volk umher
Trifft ein ew’ger Zuckerregen.
Doch ich fühle mich ergriffen
Und von sanfter Hand geschlagen.
Welch ein Schalk du bist, o Amor!
Eine Schaar der schönsten Kinder
Schäkert um mich her; willkommen!
Rufen ihre süßen Stimmen,
Und beim Namen nennt man mich,
Nicht beim Namen, einen Dichter!
Kaum bin ich bei mir, so sind sie
Lachend im Gewühl verschwunden,
Wer sie sind, was weiß der Sänger?
Halb geneckt und halb geschmeichelt
Drängt er weiter, läßt sich drängen,
Immer Lieblicherm begegnend,
Wird er hundert Masken gram,
Die das Lieblichste verbergen.
Holde, junge Gärtnerinnen
Reichen Veilchen aus den Körben,
Und die breite Arlecchina
Fliegt mit Schellenklang vorüber!
Wie das weiße Hemdchen jene,
Wie die Busenschärpe kleidet!
Bleibe fern! Nimm dich in Acht,
Ihre Scheeren sind gefährlich!
Wie sie jauchzen, wie sie schrillen,
Wie sie schäkern, wie sie rennen,
Wie sie grüßen und verschwinden!
Wärst du häßlich, o so fliehe,
Alle sagen dir’s, und Spiegel
Halten sie dir vor die Augen,
Bist du leidlich und gewandt,
Nun so kannst du viel gewinnen.
Rasch dein Glück versucht! Die Stunde
Kehrt nicht wieder! Sinkt die Maske,
Sieht vielleicht ein liebend Auge
Hell dich an! Im Scherze bildet
Ernstes sich, doch bleibe weise,
Denn dem Scherz folgt oft die Trauer;
Kränze, die man Bräuten flicht,
Ruhen oft auf ihren Särgen.
Und wer möchte mir’s verübeln,
Wenn ich meines Lebens denke,
Jener Zeit, da mir im Herzen,
Solch ein Liebessehnen glühte,
Da in tiefbewegter Seele
Mir die künftige Geliebte
So unsäglich schön erstand,
Als die Herrlichste des Festes!
Da so viele mich umschwärmten,
Rasch an mir vorüberflohen,
Und die eine, die ich träumte,
Mir so unerreichbar dünkte,
Da ich ungeduldig suchte,
Nicht bedenkend, daß die frohen
Kränze, die man Bräuten flicht,
Oft auf ihren Särgen ruhen.
Viertes Lied
Einen traurigen Gedanken,
Siehe da, das Kind des Nordens!
Doch wohlan, mit Pulcinella
Lach’ ich schon, und der Doctoren
Weisheit hör’ ich an, die Suada
Eines Charlatans begeistert,
Puterartig schreitet hier
Auch der Graf in der Perrücke.
Doch ich werde rasch umfangen,
Und mit hohem Federnhute,
Schwarzem Antlitz, buntem Röckchen,
Arlecchina mir zur Seite!
»Sei willkommen, Freund, willkommen,
Reiche mir den Arm!« – Wer bist du? –
»Wer ich bin? Ei nun, damit
Man’s nicht wisse, dient die Maske.«
Doch verrathen sie der Stimme
Volle Nachtigallentöne,
Und der Locken schwarze Wallung,
Und am purpurnen Barette
Der Begleiterin erkenn’ ich
Deutlich sie; an beide Arme
Hängen sie sich hüpfend an,
Und ich muß geduldig folgen.
Manches art’ge Wörtchen flüstert
Arlecchina nun dem Sänger
Leis’ ins Ohr. Wir bleiben, sagt sie,
Unzertrennlich jetzt beisammen!
Laß uns durch den Corso wandeln,
Bis der Pferdelauf vorüber,
Dann wird uns, verstehst du wohl,
Nunziata gleich verlassen!
Und der Sänger nun am Arme
Solcher lieblichen Geschöpfe
Fühlt, wer könnt’ es ihm verdenken,
Saturnalisches Behagen!
Hat er doch in all’ der Menge
Nun das Seinige gefunden!
Doch er fürchtet im Gewühl
Unterm Volk es zu verlieren.
In der That, sie ist gar artig,
Und wiewohl an seinem Arme,
Reißt sie doch sich los und schüttelt
Einen Mann, den er nicht kennet;
Selbst Confetti soll er haben
Und von Nunziata Blumen,
Und der Sänger schauet zu,
Denn wir sind im Carnevale.
Doch im frohen Schellenklange
Kehren sie zurück, und lustig
Hört im ungestümen Tacte
Man das Tamburin erschallen
Aus dem nahen Seitengäßchen.
Schnell dahin! Die Masken fliegen,
Arlecchina will’s, und ich
Folge hübschen Kindern gerne.
Und im enggeschloss’nen Kreise
Hüpfen halb zerlumpte Paare
Dort im wilden Saltarello!
Doch das heiße Blut geduldet
Hier sich nicht, sie ziehn mich weiter,
Auf und ab, nach allen Seiten,
Bald begrüßend, bald begrüßt,
In dem lärmenden Getümmel.
Und im letzten Scheine glühet
In der Straße fernstem Grunde
Schon das Capitol! Verschwunden
Sind die rasselnden Carossen,
Und das Töchterchen der Liebe
Führt den Sänger leicht und tänzelnd
Unterm fürstlichen Palast
Zu bequemem, hohen Sitze.
Und man scherzt und duldet Scherze,
Sitzt aufs traulichste beisammen,
Und begegnende Bekannte
Wirft man wohl noch mit Confetti,
Bis die Straße schon geräumt ist;
Alles wartet, Alles schaut,
Bis es braust, und nun im Flug
Rosse kommen und verschwinden.
Einen Gang noch, Arlecchina,
Wenn’s auch dämmert, wenn die Sonne
Längst vom Capitol gewichen!
Unersättlich im Genusse
Lernt im Süden man zu werden;
Drum geschwärmt, bis uns das Brüllen
Des Paino scheucht, und dann
Auf den Ball und spät zur Ruhe.
Und zuweilen meines Lebens
Denk’ ich da, der Wonnetage,
Da ich endlich sie gefunden,
Die ich mir so lang’ geträumet,
In der Tracht des Ideales
Mir die Liebende gefolget,
Mir bestimmt, geboren schien,
Für die Ewigkeit gegeben.
Fünftes Lied
Und als allerliebste Bäurin
Naht sie mir des andern Tages,
Gestern neckte Stab und Glocke,
Heut’ ein artig Blumenkörbchen,
Und im weißen Seidenhemde
Hüpft heran die wohl erkannte
Lüsterne Begleiterin
Mit dem wilden Tamburine.
Voller drängt sich’s heut als gestern,
Und von tausend lust’gen Bächen
Jetzt vergrößert, jauchzt und schäumet
Nun der Strom des Bacchanals;
Ja, der Gott ist im Gefolge
Seiner taumelnden Mänaden
Selbst gekommen, um dem Volk
Ganz die Sinne zu berücken.
Seht die schreienden Doctoren,
Wie sie ihre Weisheit pred’gen,
Einem hübschen Schelmenkinde
Hier den zarten Puls befühlen,
Mörderische Instrumente,
Köstliche Arzneien zeigen,
Wie der Apotheker sich
Durch des Mörsers Schall verkündet.
Hier wird ein Proceß geschlichtet,
Dort ein anderer verwickelt;
Mit der jungen Ehehälfte
Zeigt sich der Papa im Schlafrock,
Und der Schalk, der Pulcinella,
Ueber seine Schulter guckt er
Schon mit einem Horn und setzt
Ihm aufs Haupt die Narrenkappe.
Wandelnde Museen lassen
Ihre Raritäten sehen,
Seinen Bündel Maccaroni
Speist aus dem geheimen Topfe
Der Bajaccio, jener Kutscher
Trägt die Windmühl’ auf dem Hute;
Und am Zopfe flattert dem
Gar ein Dutzend Distelfinken.
Im zerlumpten Bettlerrocke,
Und gewalt’gem Lorbeerkranze
Wandelt der Poet. Da ruft es:
Platz gemacht! und mit der Brille,
Der Perrücke Lockenturme
Kommt der Graf einhergeschritten,
Und die derbe Römerwurst
Guckt ihm aus der Seitentasche.
Zu des Dudelsackes Schnarren
Singt hier der Campagnenbauer
Wohlerfundne Ritornelle
Jenen Damen an dem Fenster;
Mit liebäugelndem Gesichte,
Schmeichelnden Manieren wandelt
Dort ein schönes Kind; doch nein,
Ein vermummter hübscher Junge.
Sieh doch nur den schlauen Narren,
Auf der Kutschentreppe steht er,
Jener Brittin einen Spiegel
Vor die schlimme Larve haltend,
Oder dort den Rechtsgelehrten,
Wie er sich zum Advokaten
Einem blondgelocktem Schalk
In der Liebe Zwist empfiehlet.
Auf bekränzten vollen Wägen,
Unter schatt’ger Lorbeerlaube
Zieht bei Becherklang der Winzer
Frohe Schaar an uns vorüber;
Und die Tamburine schallen
Rauschend zu den Chorgesängen;
Unter frischen Burschen sitzt
Manches Kind mit vollem Busen.
Heute gilt’s, die Welt zu narren.
Heute gilt’s, genarrt zu werden!
Alle Thorheit auf der Erde
Hat sich schwesterlich versammelt;
Der Verstand, er schwingt mit Jauchzen
Heut’ die Pulcinellenkappe,
Und die Weisheit zeigt dem Volk
Ohne Scheu die Eselsohren.
Und des eignen Lebens denk’ ich,
Mancher schwergebüßten Irrung,
Mancher Thorheit, die ich offen
Im Triumph zur Schau getragen.
Aber still davon, wir dürfen
Heute keinen Narren schelten,
Und an eines Mädchens Arm
Gibt’s ja keine weitern Scrupel.
Sechstes Lied
Unter Spiel und Scherz und Possen
Ist die Nacht herangekommen,
Doch im sanften Sternenscheine
Läßt es sich nur besser schäkern,
Und gespensterhafte Schalkheit
Lacht und spukt durch alle Gassen.
Erst wenn Phöbus sich entfernt,
Wagt sich Momus aus dem Hause.
Gib die Hand mir, Kind der Liebe,
Sind wir endlich doch alleine!
Laß uns schnell nach Hause wandeln,
Nimm dir vom Gesicht die Maske;
Denn der Nacht, warum nicht könntest,
Wer du bist, ihr anvertrauen?
Schnell die Maske weg, und dann
Wieder auf die vollen Straßen!
Folge mir, an allen Ecken
Hörst du jetzt den Pulcinella
Mit der Narrenglocke läuten,
Manche Mandoline klimpert
Unter dem erhellten Fenster!
Gehn wir eilig! denn mich locket
Jener schwarzen Osterie
Alterthümliches Gewölbe.
Willst du fröhlich sein, so trinke
Abends deinen vollen Becher
Süßen Frascatanerweines,
Und ein Liebchen dir zur Seite
Kränz’ ihn dir mit seinen Rosen.
Ohne Wein und ohne Liebchen
Sieht man sich das tolle Volk
Nur mit Neid des Lebens freuen.
Lauschen wir dem wilden Dichter,
Der im Kreis gedrängter Masken
Hier mit Liedern aus dem Stegreif
Seine Hörerschaft begeistert,
Wie das lust’ge blonde Bübchen,
Schon Hanswurst dort auf dem Tische,
Dem besess’nen Sänger lauscht
Und mit seinen Händen klatschet.
Doch auch hier will sich die wilde
Römerin nicht lang gedulden,
Ob wir ins Theater eilen,
Ob wir eine Oper hören,
Ob uns das Ballet vergnüge,
Oder ob uns der Taddei
Seltne Kunst belustige,
Oder gar Cassandro’s Puppe?
Doch zum Maskenballe leitet
Mich der artige Schalk; ich folge!
Keine Beatrice führt mich,
Aber eine Bajadere!
Nein, wer konnte sie verschmähen!
Tausend Frauen sah ich heute
Schon verschleiert, aber doch
Keine einzige Bestale.
Und des heitern Zauberhauses
Hellgestirnter Lichterhimmel
Oeffnet dem entzückten Auge
Seine weite, schöne Wölbung,
Und in magischer Beleuchtung
Seh’ ich unterm wilden Sturme
Bacchischer Musik die Welt
Eines holden Traumes wogen.
Wie in nächtlichen Gesichten
Uns die Phantasie zuweilen
Tief in eines Berges Gründe
Durch den Schacht der Erde führet,
Und bei wundersamen Lichtern
Uns phantastische Gestalten
Und die allerschönsten Frau’n
Um die trunknen Sinne gaukeln:
Also dünk’ ich mir zu träumen;
Zwar es spukt die keckste Freude,
Scherz und Witz in hundert Masken,
Zwar es athmet allenthalben,
Schön und glühend, sinnlich Leben,
Mancher Nacken, mancher Busen
Mahnt an höchste Erdenlust
Uns berauschte, schwache Thoren.
Doch zu viel der süßen Reize
Schweben, schwellen uns entgegen,
Und in heißer Wollust möchte
Das gefang’ne Herz verschmachten.
Solchem Leben zu begegnen,
Müßt’ allein in unsern Adern
So viel Lebensfeuer glühn,
Als die tausende durchwallet.
Sieh bei raschgeschwungnem Tacte
Wie vom Wahnsinn hingerissen
Bunte Maskenpaare hüpfen!
Das ist erst der Schritt der Freude,
Hier und dort, und auf und nieder,
Wie vom lauten Sturm getrieben,
Der im Zauberhause braust
Unter der Trompete Schmettern.
Weiße freudentrunkne Mädchen,
Arlecchine und Doctoren,
Gärtnerinnen und Bajacci,
Und der plumpe Pulcinella,
Leichte Schäfer, farb’ge Türken,
Schwarzvermummte, schlanke Feen,
Alles in Mänadenwuth,
Saturnalischem Vergnügen.
Und des eignen Lebens denk’ ich,
Da voll frischer Kraft und Seele
Meiner Jugend Feuerströme
So gewaltig in mir rauschten,
Da sie alle kühn und muthig
In bacchantischer Bewegung
Schäumend sich hinabgestürzt
In den Ocean der Liebe.
Seibentes Lied
Nicht ermüden und ermatten,
Auch wenn kaum ein Stündchen Schlummer
Gegen Morgen dich erquicket!
So die lustige Gefährtin,
Heut’ am letzten Freudentage
Mir als trefflicher Paino,
Fein in schwarzem Kleid und Hut
Und im Busenstrich erscheinend.
Heut’ am allerletzten Tage
Sollte man nicht ausgelassen,
Gleich dem Faune, gleich dem Satyr,
Eine tolle Nymph’ im Arme,
Jubelnd seinen Thyrsus schwingen?
Und warum nicht? Rennt mit Hörnern,
Pferdefuß, in schwarz und roth
Lucifer nicht im Gedränge?
Wie man von dem Liebchen scheidend,
Noch in Einem langen Kusse
Wonn’ und Lust auf ewig trinken,
Trost für immer saugen möchte,
Wie dem Vaterland entwandernd,
Wo man Kind war, wo man liebte,
Man des Lebewohls Moment
Gerne noch verlängern möchte:
So das wilde Rom, man taumelt
Unter Taumelnden; es regnet
Heut’ zum letzten Male Blumen
Auf ein glücklich Volk, und Zucker.
Goldne Tage des Saturnus
Lebt man noch; es wäre Fabel,
Und so viele tausend Frau’n
Predigen die holde Wahrheit?
Doch es neigt sich schon die Sonne,
Schon erbraust es in der Menge,
Meilenweit vom Obeliskus
Bis zum Capitol – sie kommen –
Nein! sie fliegen – kaum vernimmst du
Ihren Hufschlag – Alles jubelt
Barberi – du schaust und sieh,
Längst sind alle schon verschwunden.
Wie ersehnt steigt jetzt die Dämm’rung
Von den mächtigen Palästen
Nieder in die tiefe Straße.
Noch ein Stündchen, Kind der Liebe,
Doch das köstlichste der Erde!
Nimm’ dir einen Sitz, ein Lichtchen,
Denn dem Weibe ziemt ein Licht,
Und dem Manne ziemt’s zu löschen.
Und schon flammet nah’ und ferne
Von Balkonen und von Fenstern,
Aus Carossen, von den Sitzen
In unzählbar vielen Händen
Durch den Nachtduft ein beweglich
Muntres Heer von kleinen Feuern,
Und ein neuer Zaubertag
Hebt nun an, dem Fest zu leuchten.
Welch ein übersinnlich Märchen,
Wie man’s oft von leichten Sylphen,
Gnomen und von Salamandern,
Nächtlich einem Kind erzählet!
Welche Welt von schönen Mädchen,
Welche Schaaren kecker Schalken,
Wie das holde Farbenreich
Aus dem Dunkel sich entfaltet.
Wie die Lichter wehn und flattern,
Und gewandte schnelle Springer
Nach dem hast’gen Flämmchen haschen;
Wie sie hüpfen, wie sie schlagen,
Wie manch bunte Feengruppe
Plötzlich in die Nacht versinket,
Und ein Schelm, des Sieges froh,
Im Gewimmel sich verlieret!
Wie sie auf die Wagen klettern,
Und von oben her geschwinde
Wie der Wind ein Licht verlöschen;
Wie sie schleichen, wie sie lauschen,
Durchs Gedränge schalkhaft schlüpfen,
Geistern oder Dieben ähnlich,
Erst nur still, dann mit Geschrei
Und mit Hohngelächter necken!
Wie der Tod des Carnevales
Mit einstimmigem Gebrülle
Sinnbetäubend aus den Kehlen
Eines Volkes sich verkündet,
Unterm dumpfen Klaggesange
Dieser Moccoli Erlöschen
Aller Freuden Ende schon
Und die Trauerzeit bedeutet.
Noch erglüht und flammt und zittert
In der farbigen Bewegung
Im phantastischzarten Spiele
Roms erneute Pracht, da löschen
Sich allmählich alle Lichter,
Und die Zauberwelt verschwindet,
Die gestaltenlose Nacht
Folget, wie der Tod dem Leben.
Und des eignen Daseins denk’ ich
Mehr als je, da mir so frühe
Das Verhängniß meiner Jugend,
Meiner Liebe, meiner Hoffnung
Süße Märchenwelt zerstörte,
So viel Schönes und Geliebtes,
So viel Flammen, so viel Lust
In den Ernst der Nacht versunken.
Achtes Lied
Noch umflattern mich die frohen
Saturnalischen Gestalten,
Noch von jenem Rosenscheine
Fühl’ ich selig mich umwittert,
Noch von kindisch muntrer Schalkheit
Bald geschmeichelt, bald gefährdet,
Noch vom Lebenssturm umrauscht,
Der zum wilden Tanz begeistert.
Doch die Täuschung nur der Sinne,
Die Erinn’rung des Genusses
Ist es nur! Von keinem Fenster
Und Balkone weht ein Teppich,
Keine Veilchensträuße fliegen
Mehr zu schöngeschmückten Frauen,
Und der kurzen Zier beraubt,
Trauert Rom in seiner Stille.
Trübte sich das Lied des Sängers,
Bei der eigenen Enttäuschung,
Bei den langen Trauertagen
Mit gerechtem Schmerz verweilend?
Klagt’ es um der Liebe Freuden,
Um die Freunde, die Gespielen,
Um des Ruhmes goldnen Wahn,
Unersetzliche Verluste?
Könnt’ es aller Lust entsagen,
Und das Haupt, für Myrtenkränze
Bacchuslaub und sanfte Rosen,
Und vielleicht bestimmt für Lorbeer,
Sollte Todtenasche decken?
Nein, auch dies ist schon vorüber,
Und ein neues Leben scheint
Sich dem Sänger zu entfalten.
Denn der Frühling naht in seiner
Lieblichkeit, in süßer Wärme
Wacht er auf, und frohe Vögel
Singen in des Mandels Blüte;
Schwindet ja im holden Süden
Nie der Lenz, der schöne Jüngling,
Ganz hinweg – er schlummert nur
Kurze Zeit im Lorbeerschatten.
Und es regte nicht dem Sänger
Frühlingslust den frischen Busen?
Wenn die Mandelbäume blühen,
Keimte nichts in seinem Herzen?
Wenn die milden Lüfte jubeln
Vom Gesang der Vögel, griffe
Nicht zur Leier seine Hand,
Um ein heitres Lied zu singen?
Nein! Wer könnte solcher Allmacht,
Solcher Lockung widerstehen!
Neues fühlt er in sich werden,
Manche Hoffnung sich erfüllen,
Eine Zukunft, leicht und selig,
Sieht er fern herüberschweben,
Sei’s auch, daß er hier sie nicht,
Im Elysium doch erreiche!