Wie der Kastellan von Couci
Schnell die Hand zum Herzen drückte,
Als die Dame von Favel
Er zum ersten Mal erblickte!
Seit demselben Augenblicke
Drang durch alle seine Lieder,
Unter allen Weisen stets
Jener erste Herzschlag wieder.
Aber wenig mocht’ ihm frommen
All die süße Liederklage,
Nimmer darf er dieses hoffen,
Daß sein Herz an ihrem schlage.
Wenn sie auch mit zartem Sinn
Eines schönen Lieds sich freute,
Streng und stille ging sie immer
An des stolzen Gatten Seite.
Da beschließt der Kastellan,
Seine Brust in Stahl zu hüllen
Und mit drauf geheft’tem Kreutz
Seines Herzens Schlag zu stillen.
Als er schon im heil’gen Lande
Manchen heißen Tag gestritten,
Fährt ein Pfeil durch Kreutz und Panzer,
Trifft ihm noch das Herze mitten.
„Hörst du mich, getreuer Knappe?
Wann dies Herz nun ausgeschlagen,
Zu der Dame von Fayel
Sollt du es hinübertragen!“
In geweihter, kühler Erde
Wird der edle Leib begraben;
Nur das Herz, das müde Herz,
Soll noch keine Ruhe haben.
Schon in einer goldnen Urne
Liegt es, wohl einbalsamiret,
Und zu Schiffe steigt der Diener,
Der es sorgsam mit sich führet.
Stürme brausen, Wogen schlagen,
Blitze zucken, Maste splittern,
Aengstlich klopfen alle Herzen,
Eines nur ist ohne Zittern.
Golden stralt die Sonne wieder,
Frankreichs Küste glänzet drüben,
Freudig schlagen alle Herzen,
Eines nur ist still geblieben.
Schon im Walde von Fayel
Schreitet rasch der Urne Träger,
Plötzlich schallt ein lustig Horn
Sammt dem Rufe wilder Jäger.
Aus den Büschen rauscht ein Hirsch,
Dem ein Pfeil im Herzen stecket,
Bäumt sich auf und stürzt und liegt
Vor dem Knappen hingestrecket.
Sieh! der Ritter von Fayel,
Der das Wild in’s Herz geschossen,
Sprengt heran mit Jagdgefolg
Und der Knapp’ ist rings umschlossen.
Nach dem blanken Goldgefäß
Tasten gleich des Ritters Knechte,
Doch der Knappe tritt zurück,
Spricht mit vorgehaltner Rechte:
„Dies ist eines Sängers Herz,
Herz von einem frommen Streiter,
Herz des Kastellans von Couci,
Laßt dies Herz im Frieden weiter!
Scheidend hat er mir geboten:
Wann dies Herz nun ausgeschlagen,
Zu der Dame von Fayel
Soll ich es hinübertragen.“
„Jene Dame kenn’ ich wohl.“
Spricht der ritterliche Jäger
Und entreißt die goldne Urne
Hastig dem erschrocknen Träger,
Nimmt sie unter seinen Mantel,
Reitet fort in finstrem Grolle,
Hält so eng das todte Herz
An das heiße, rachevolle.
Als er auf sein Schloß gekommen,
Müssen sich die Köche schürzen,
Müssen gleich den Hirsch bereiten
Und ein seltnes Herze würzen.
Dann, mit Blumen reich bestecket,
Bringt man es auf goldner Schaale,
Als der Ritter von Fayel
Mit der Dame sitzt am Mahle.
Zierlich reicht er es der Schönen,
Sprechend mit verliebtem Scherze:
„Was ich immer mag erjagen,
Euch gehört davon das Herze.“
Wie die Dame kaum genossen,
Hat sie also weinen müssen,
Daß sie zu vergehen schien
In den heißen Thränengüssen.
Doch der Ritter von Fayel
Spricht zu ihr mit wildem Lachen:
„Sagt man doch von Taubenherzen,
Daß sie melancholisch machen:
Wieviel mehr, geliebte Dame,
Das, womit ich Euch bewirthe!
Herz des Kastellans von Couci,
Der so zärtlich Lieder girrte.“
Als der Ritter dies gesprochen,
Dieses und noch andres Schlimme,
Da erhebt die Dame sich,
Spricht mit feierlicher Stimme:
„Großes Unrecht thatet Ihr,
Euer war ich ohne Wanken,
Aber solch ein Herz genießen
Wendet leichtlich die Gedanken.
Manches tritt mir vor die Seele,
Was vorlängst die Lieder sangen,
Der mir lebend fremd geblieben,
Hat als Todter mich befangen.
Ja! ich bin dem Tod geweihet,
Jedes Mahl ist mir verwehret,
Nicht geziemt mir andre Speise
Seit mich dieses Herz genähret.
Aber Euch wünsch’ ich zum Letzten
Milden Spruch des ew’gen Richters.“ —
Dieses alles ist geschehen
Mit dem Herzen eines Dichters.