Bezaͤhme deinen Zorn, und laſſe dem die Rache,
Der beſſer als du ſelbſt kann fuͤhren deine Sache.
Der ſtrenge Koͤnig, der nie ein Vergehn vergeben,
Erhielt, weil eines er vergab, dadurch ſein Leben.
Du fragſt, wie dieſes war? ich will es dir berichten,
Wie mir es kund gethan wahrhaftige Geſchichten.
Der Koͤnig auf der Jagd in kuͤhnem Uebermuth
Schwelgt in der Thiere jetzt wie ſonſt in Menſchenblut.
Auf einmal, wie er ſteht im ſtolzen Jaͤgerchor,
Fliegt her ein Ungluͤckspfeil und ſtreift ſein linkes Ohr.
Wie wird der raſche Grimm des Koͤnigs jetzt entlodern,
Und ſein vergoßnes Blut wie blut’ge Rache fodern!
Allein es iſt alsob der Pfeil ihm hab’ ins Ohr
Ein leiſes Wort geſagt, das ſeinen Grimm beſchwor.
Ich haͤtte koͤnnen dir, ſagt’ er, das Herz durchbohren,
Und ſtreifte ſchonend nur das Laͤppchen an den Ohren.
Vom Boden nimmt er auf den Pfeil, von Blut befleckt,
Den zum Gedaͤchtnis er in ſeinen Buſen ſteckt.
Wo iſt der Schuͤtze, der den Meiſterſchuß gethan,
Der eines Koͤnigs Herz gelenkt zur beſſern Bahn?
Der fremde Juͤngling iſt’s, der, wannen er gekommen,
Nicht ſagen wollte, da er ward in Dienſt genommen.
Man ſoll, der Koͤnig ſpricht, ſein Reiſegeld ihm geben;
Denn immer wuͤrd’ er hier vor meiner Rache beben.
Denn freilich iſt die Welt von mir nicht des gewohnt,
Zu ſehn Vergehungen verziehen, ja belohnt.
Der fremde Juͤngling zieht davon und dankt dem Gluͤcke,
Und bei dem Koͤnig bleibt von ihm der Pfeil zuruͤcke;
Von dem er ſtets gemahnt, dem ernſten Vorſatz treu,
Blieb zum Verzeihn geneigt, vor Blutvergießen ſcheu.
Doch alle Herzen, die vordem ſein Zorn gekraͤnkt,
Empoͤren jetzt ſich, da zur Huld er umgelenkt.
Er muß aus ſeinem Land, dem Aufruhr weichend, fliehn,
Und heimlich im Gewand der Pfeil begleitet ihn.
Es iſt der Reue Pfeil, der ihm am Herzen nagt,
Doch ihm auch einzig Troſt in der Verbannung ſagt.
Zuletzt in fernem Land, wo zu Gefangenſchaft
Man jeden Fremdling bringt, wird er gebracht in Haft.
Im dunkeln Koͤnigshof liegt er am Tag gefangen,
Wo Sonnenſtralen matt hoch uͤber Mauern drangen.
Da hoͤrt er frohen Hall von Stimmen aus der Ferne,
Und denkt an laute Jagd, wobei er waͤre gerne.
Er zieht den Pfeil hervor mit ahnungsſchwerem Sinn,
Der ihm bisher gereicht zu nichts denn Ungewinn.
Ein Koͤnigsreiher ſchwebt hoch uͤber ihm gemach;
Und ſchnell aus freier Hand wirft er den Pfeil danach.
Den Vogel fehlt der Schuß, doch iſt er nicht gefallen
Vergebens draußen, wo die frohen Stimmen hallen.
Dort ſteht der Koͤnigsſohn im ſtolzen Jaͤgerchor,
Da fliegt der Pfeil heran, und ſtreift ſein linkes Ohr.
Sie fragen ſich beſtuͤrzt: wo kam er her geflogen?
Dort von den Mauern, um den dunkeln Hof gezogen.
Wer ſitzt in jenem Hof? Ein Fremdling, juͤngſt gefangen.
Schnell, ſpricht der Koͤnigsſohn, laßt ihn hieher gelangen.
Er wird herbei gefuͤhrt, und glaubt zum Tod zu gehn;
Inzwiſchen hat den Pfeil der Koͤnigsſohn beſehn.
Den Pfeil in ſeiner Hand, ſpricht er zu dem Verbannten:
Du hatteſt, Fuͤrſt, in Dienſt einſt einen Unbekannten.
Der Unbekannte war ein fremder Fuͤrſtenſohn,
Der ſeines Vaters Zucht im Jugendmuth entflohn.
Erkenne mich, wie ich dich kenn’, an dieſem Pfeile,
Der uns verhaͤngnisvoll beruͤhrt am gleichen Theile.
Du raͤchteſt nicht, daß er von mir dein Ohr verletzt,
Doch ſieh, der Himmel raͤcht’s zur guten Stunde jetzt.
Durch welch Geſchick du biſt aus Land und Reich gefallen,
Komm, das erzaͤhle dort in meines Vaters Hallen!
Heut ruhen wir darin, doch morgen ziehn wir aus,
Und fuͤhren dich zuruͤck mit Heermacht in dein Haus.