Dem Weisheitdurſtenden hat nie ſo recht von Grund
Den Durſt geſtillt ein Buch, wie eines Lehrers Mund.
Lebendig iſt der Trieb nur des geſprochnen Wortes,
Und das beſchriebne Blatt vom Baum iſt ein verdorrtes.
Selbſt jenes Wort, das Erd’ erſchuf und Himmel dort,
War ein geſprochenes, nicht ein geſchriebnes Wort.
Und dem geſprochnen Wort verblieb der Lehrberuf,
Zu ſchaffen immerfort, wie es zuerſt erſchuf.
Und ſelber Gottes Schrift in Schrift und in Natur,
Wird immer neu belebt durch Schriftauslegung nur.
Geſchriebnes Wort, dem Buch vertraut, iſt halb verlaſſen
Vom Geiſt, und halb nur kann der Menſchengeiſt es faſſen.
Es geht von Hand zu Hand, es kommt von Land zu Land,
Und findet, wie ſichs trifft, Verſtand und Misverſtand.
Geſprochnes gehet durch erwaͤhlter Hoͤrer Runde,
Und immer neu belebt geht es von Mund zu Munde.
Doch bildet es ſich um, je weiter um es geht,
Verwandelt ſich und ſchwankt, nur das geſchriebne ſteht.
Ja, haͤtte nicht die Schrift den Zauberkreis gezogen,
Viel Gold der Vorzeit waͤr’ im Wind wie Spreu verflogen.
Nicht minder drum dem Mund lerndurſt’ger Menſchenkinder
Als Spracherfinder ſei geehrt der Schrifterfinder.
Wer iſts? Gott, deſſen Stift an Erd- und Himmelstrift
Geſchrieben ſeinen Ruhm in Blum- und Sternenſchrift.
Auf Tafeln von Lazur und auf ſmaragdner Flur,
Wie im Rubin der Bruſt, lies ſeine Namen nur.