An Winterabenden (mir ward der Schwank erzaͤhlt
Von einem Freunde, den die Bibel viel gequaͤlt)
Ließ leſen, weil er horcht’ in feierlicher Stille,
Ein alter Herr die Schrift den Diener mit der Brille.
Die Brill’ auf ſeiner Naſ’, in ſeiner Hand ein Stift,
So las er, bis er kam an einen Punkt der Schrift,
Der fuͤr des Herrn Verſtand zu hoch war und zu kraus
„Verſtehſt du’s, Hans?“ — Nein, Herr!-„Ich auch nicht, Hans, ſtreich’s aus!“
So ausgeſtrichen ward viel Unverſtandenes.
Doch blieb am Ende noch genug Vorhandenes.
Wol denkt der alte Herr, daß ohne viel Beſchwerden
Gemeinverſtaͤndlich ſo die heil’ge Schrift ſoll werden.
Doch als von vorn ins Buch es wieder gieng aufs Jahr,
Fand heuer dunkel ſich, was ferden deutlich war.
„Verſtehſt du’s, Hans?“ — Nein, Herr!-„Ich auch nicht, Hans, ſtreich’s aus!“
Da ward im dritten Jahr ein einz’ger Strich daraus.
Was lehret uns der Strich? daß man in Schriften heilig
Nicht Unverſtaͤndliches ausſtreichen ſoll voreilig.
Das Unverſtaͤndliche, laß nur mit drein es gehn,
Sonſt wirſt du ſelbſt nicht das Verſtaͤndliche verſtehn.