Unzertrennliches, ach vom Tod getrenntes,
Zartverschwistertes, durch Geburt und Neigung,
Für einander geschaffnes Vogelpärchen!
O du Brüderchen, an der Schwester hangend,
O du Schwesterchen, nicht vom Bruder lassend!
In dem sonnigen Käfich, eurem Stübchen,
Auf dem Stängelchen, eurem Stuhle, sitzend,
Immer nebeneinander, aneinander.
Saß das Brüderchen auf der rechten Seite,
Und das Schwesterchen links, so ließ sein Köpfchen
Links das Brüderchen hangen, und sein Köpfchen
Rechts das Schwesterchen, also daß die beiden
Köpfchen leise sich ohne Druck berührten.
Saß das Brüderchen aber auf der linken,
Und das Schwesterchen auf der rechten Seite,
Denn sie pflegten in diesem Stück zu wechseln,
War das Hängen der Köpfchen auch gewechselt,
Daß sie gegeneinander wieder neigten.
So war euere Neigung gegenseitig,
So war euere Liebe wechselwirkend,
Ohne Wechsel als den der äußern Stellung.
Was ihr aßet, das aßet ihr zusammen,
Und ihr tranket zusammen, was ihr tranket;
Was ihr spieltet und scherztet, sangt und spranget,
Was ihr lebtet, das lebtet ihr zusammen.
Und so seid ihr zusammen auch gestorben.
Als das Schwesterchen mit zerdrückter Brust lag,
Eingedrückt von des Geiers ehrnen Krallen,
Jenes Geiers, vor dem den Lebensvogel
Kein Goldkäfich der Liebe kann beschützen;
Ließ das Brüderchen auch das Köpfchen hangen,
Nicht zur linken und nicht zur rechten Seite,
Sondern grad’ auf die Brust, und hobs nicht wieder.
Und nun laßt uns zusammen sie begraben,
Unter Thränen, am Fuß des Lebensbaumes,
Wo wir klagen um sie im dunkeln Schatten.
Doch sie selber entschwingen sich geflügelt
Auf die sonnigen Wipfel hin, und singen,
Goldfrucht pickend und Nektarkelche nippend,
Auf den Zweigen des Lebens schaukelnd, eines
Nächst am andern, wie einst auf ihrem Stängchen;
Hangen lassen sie nur nicht mehr die Köpfchen,
Sondern heben sie freudig geneinander.
Wohl gefall’ es dir dort, und wohl ergeh dir’s,
Im Genügen der Liebe, nicht vermissend
Die dich missenden hier, mein Vogelpärchen,
Unzertrennliches, nicht vom Tod getrenntes!