Warum mit Reimen euch, und ſchweren Reimen, quaͤlen?
Waͤr’ es, ihr Dichter, nicht genug die Silben zaͤhlen?
Den Griechen wars genug, warum waͤrs uns nicht auch?
Doch Silbenzaͤhlung ſelbſt iſt zeitlicher Gebrauch:
Der Pſalter Davids rauſcht noch ohne Silbenzahl;
Und ſo aus Zeit in Zeit wuchs mit der Kunſt die Qual;
Und wuchs mit der Genuß, dem Hoͤrer nicht allein,
Dem Dichter allermeiſt, der gern geplagt will ſeyn.
Wer will nun jeder Zeit beſtimmen gleiches Maß,
Da jede nach Bedarf ihr eignes ſtets beſaß?
Der Kuͤnſtler aber ſei gelobt, der fuͤhlt und waͤgt,
Was ſeine Zeit von Kunſt bedarf und was vertraͤgt;
Der ihr nichts bietet, was ſie nicht vertraͤgt, nichts weigert,
Was ſie bedarf, und nicht ihr falſch Beduͤrfnis ſteigert.