Was iſt der Vorzug wol der menſchlichen Vernunft
Vor allen Trieben, die beſitzt der Thiere Zunft?
Thuts nicht der menſchlichen in allen Stuͤcken gleich
Naturvernunft und Kunſt, an Wunderwerken reich?
Der Menſch kann feiner als der Seidenwurm nicht ſpinnen,
Und kuͤnſtlicher nicht baun als Immen goldne Zinnen.
Und nicht gelernt iſt das, geerbt iſts vom Geſchlecht;
Der juͤngſte Biber baut gleich wie der aͤlt’ſte recht.
Die uranfaͤngliche Naturvollkommenheit
Iſt nie vollkommener geworden durch die Zeit.
Und dieſes iſt, was der Vollkommenheit gebricht;
Vollkommnungsfaͤhigkeit fehlt nur dem Menſchen nicht.
Die junge Spinne ſpinnt nur wie die alte ſpann,
Indes der Menſchenſinn ſtets neu Geweb erſann.
Vom Vater erbt ers nicht, vom Meiſter kann ers lernen,
Und ausgelernt von ihm mit Freiheit ſich entfernen.
Die Freiheit voll Gefahr iſt jedes Irrthums Spiel,
Indes der ſichre Trieb nothwendig geht zum Ziel.
Doch iſts ein niedres Ziel vor jenem, das erreichen
Der Menſch will, ſoll und kann, mag es auch ſtets entweichen;
Wo Kunſtbehendigkeit und Thatverſtaͤndigkeit
Ihm wird in hoͤhrer Art Naturnothwendigkeit.