1.
Zwar iſt Vollkommenheit ein Ziel das ſtets entweicht,
Doch ſoll es auch erſtrebt nur werden, nicht erreicht.
2.
Wol ein mit Sicherheit vorwerts gethaner Schritt
Iſt ihrer zweie werth, wobei man ruͤckwerts glitt.
3.
Erſt denkſt du nicht daran, wie weit es ſei zum Ziel;
Schon iſt es halb gethan, nun iſt der Reſt ein Spiel;
4.
Wer ſucht, der findet. Ja! nur der nicht, wer erblindet
An Orten ſucht, wo ſich nicht das Geſuchte findet.
5.
Wo du den Weg nicht weißt, folg’ einem Fuͤhrer du;
Doch, ob der Fuͤhrer auch den Weg weiß, ſiehe zu!
6.
Sandalen druͤcken neu, bequem ſind ſie zerſchliſſen;
Sobald dir etwas ganz gerecht iſt, wirſt du’s miſſen.
7.
Das Wort hat Zauberkraft, es bringt hervor die Sache;
Drum huͤte dich, und nie ein Boͤſes namhaft mache.
8.
Gib Worte deinem Schmerz, ſo iſt er dir benommen;
Gib Worte deiner Luſt, ſo iſt ſie dir entkommen.
9.
Wer alzueiferig bekraͤftigt ſein Verſprechen,
Beweiſet dir damit den Willen es zu brechen.
10.
Wer einmal luͤgt, muß oft zu luͤgen ſich gewoͤhnen;
Denn ſieben Luͤgen braucht’s um eine zu beſchoͤnen.
11.
Im Stachel hat ſein Gift der Skorpion, im Zahn
Die Schlange, doch ein Menſch iſt giftig um und an.
12.
Leicht mag, wer ſieht die Frucht, des Baumes Namen ſagen;
Ein Gaͤrtner ſieht am Baum, was er fuͤr Frucht wird tragen.
13.
Was einem Menſchen du nicht frei ins Angeſicht
Darfſt ſagen, ſag ihm das auch hinter’m Ruͤcken nicht.
14.
Ein Aergernis iſt nur, wo man es nimmt, gegeben;
Dir vorgeworfnes brauchſt du ja nicht aufzuheben.
15.
O Koͤnig, willſt du mich in dieſer nicht beſchuͤtzen,
In jener Welt wird mir und dir dein Schutz nicht nuͤtzen.
16.
Das Huͤndlein wedelt, dir ſein Futter abzuſchmeicheln;
Den edlen Hengſt, damit er’s annimmt, mußt du ſtreicheln.
17.
Wo Bettelſtolz ſich ſchaͤmt zu fordern, ſchaͤmt zu nehmen;
Muß nicht Freigebigkeit ſich auch zu geben ſchaͤmen?
18.
Wer ſchlaͤft, den hungert nicht, geborgen iſt der Mann;
Weh aber dem, der nicht vor Hunger ſchlafen kann.
19.
Schlimm ſind die Schluͤſſel, die nur ſchließen auf, nicht zu;
Mit ſolchem Schluͤſſelbund im Haus verarmeſt du.
20.
Das Weib kann aus dem Haus mehr in der Schuͤrze tragen,
Als je einfahren kann der Mann im Erntewagen.
21.
Am Weibe wird geſchmaͤht, was an dem Mann geachtet;
Die gleich dem Hahne kraͤht, die Henne wird geſchlachtet.
22.
Haſt du ein großes Gut, begehre nicht noch Kleines;
Wenn dir die Sonne ſcheint, bedarfſt du Kerzenſcheines?
23.
Woran du es gewoͤhnſt, das fordert bald dein Herz;
Gewoͤhne nicht dein Kind an Boͤſes auch im Scherz.
24.
Unſchuldig irrt nur, wer den rechten Weg nicht kennt,
Nicht wer den Richtweg ſieht und doch ins Dickicht rennt.
25.
Am ſchwerſten immer wird ſich in der Irre faſſen,
Wer ſelbſt den rechten Weg muthwillig hat verlaſſen.
26.
Ein unbefangner Sinn benutzt die fremde Spur,
Den ſelbſtbefangenen verwirrt die eigne nur.
27.
Lern von der Erde, die du baueſt, die Geduld:
Der Pflug zerreißt ihr Herz, und ſie vergilts mit Huld.
28.
Die Rach’ iſt eine Luſt, die waͤhrt wol einen Tag,
Die Großmuth ein Gefuͤhl, das ewig freun dich mag.
29.
Beſcheidenheit, ein Schmuck des Manns, ſteht jedem fein,
Doch doppelt jenem, der Grund haͤtte ſtolz zu ſeyn.