Die Entführung,oderRitter Karl von EichenhorstundFräulein Gertrude von Hochburg.Im Jänner 1778. „Knap, satt’le mir mein Dänenros,Daß ich mir Ruh erreite!Es wird mir hier zu eng’ im Schlos;Ich wil und mus ins Weite!“ –So rief der Ritter Karl in Hast,Vol Angst und Ahndung, sonder Rast.Es schien ihn so zu plagen,Als hätt’ er Wen erschlagen. Er sprengte, daß es Funken stob,Hinunter von dem Hofe;Und als er kaum den Blik erhob,Sieh da! Gertrudens Zofe!Zusammenschrak der Rittersman;Es pakt’ ihn, wie mit Krallen, an,Und schüttelt’ ihn, wie Fieber,Hinüber und herüber. – „Gott grüss’ Euch, edler junger Herr!Gott geb’ Euch Heil und Frieden!Mein armes Fräulein hat mich herZum leztenmal beschieden.Verloren ist Euch Trudchens Hand!Dem Junker Plump von PommerlandHat sie, vor aller Ohren,Ihr Vater zugeschworen. ‚Mord!‘ – flucht er laut, bei Schwert und Spies, –‚Wo Karl dir noch gelüstet,So solst du tief ins Burgverlies,Wo Molch und Unke nistet.Nicht rasten wil ich Tag und Nacht,Bis daß ich nieder ihn gemacht,Das Herz ihm ausgerissen,Und das dir nachgeschmissen.‘ Jezt in der Kammer zagt die Braut,Und zukt vor Herzenswehen,Und ächzet tief, und weinet laut,Und wünschet zu vergehen.Ach! Gott der Herr mus ihrer Pein,Bald mus und wird er gnädig seyn.Hört ihr zur Trauer läuten,So wist ihr’s auszudeuten. – ‚Geh, meld’ ihm, daß ich sterben mus‘ –Rief sie mit tausend Zären –‚Geh, bring ihm ach! den lezten Grus,Den er von mir wird hören!Geh, unter Gottes Schuz, und bringVon mir ihm diesen goldnen RingUnd dieses Wehrgehenke,Wobei er mein gedenke!‘“ – Zu Ohren braust’ ihm, wie ein Meer,Die Schreckenspost der Dirne.Die Berge wankten um ihn her.Es flirt’ ihm vor der Stirne.Doch jach, wie Windeswirbel fährt,Und rührig Laub und Staub empört,Ward seiner LebensgeisterVerzweiflungsmut nun Meister. „Gottslohn! Gottslohn! du treue Magd,Kan ich’s dir nicht bezalen.Gottslohn! daß du mir’s angesagt,Zu hunderttausendmalen.Bis wolgemut und tumle dich!Flugs tumle dich zurük und sprich:Wär’s auch aus tausend Ketten,So wolt’ ich sie erretten! Bis wolgemut und tumle dich!Flugs tumle dich von hinnen!Ha! Riesen, gegen Hieb und Stich,Wolt’ ich sie abgewinnen.Sprich: Mitternachts, bei Sternenschein,Wolt’ ich vor ihrem Fenster seyn,Mir geh’ es, wie es gehe!Wohl, oder ewig wehe! Risch auf und fort!“ – Wie Sporen triebDes Ritters Wort die Dirne.Tief holt’ er wieder Luft und riebSich’s klar vor Aug und Stirne.Dann schwenkt’ er hin und her sein Ros,Daß ihm der Schweis vom Buge flos,Bis er sich Rath ersonnenUnd den Entschlus gewonnen. Drauf lies er heim sein SilberhornVon Dach und Zinnen schallen.Herangesprengt, durch Korn und Dorn,Kam straks ein Heer Vasallen.Draus zog er Man bei Man hervor,Und raunt’ ihm heimlich Ding ins Ohr: –„Wolauf! Wolan! Seyd fertig,Und meines Horns gewärtig!“ – Als nun die Nacht Gebirg und ThalVermumt in Rabenschatten,Und Hochburgs Lampen überalSchon ausgeflimmert hatten,Und alles tief entschlafen war;Doch nur das Fräulein immerdar,Vol Fieberangst, noch wachte,Und seinen Ritter dachte: Da horch! Ein süsser LiebestonKam leis’ empor geflogen.„Ho, Trudchen, ho! Da bin ich schon.Risch auf! Dich angezogen!Ich, ich, dein Ritter, rufe dir;Geschwind, geschwind herab zu mir!Schon wartet dein die Leiter.Mein Klepper bringt dich weiter.“ – „Ach nein, du Herzens-Karl, ach nein!Stil, daß ich nichts mehr höre!Entränn’ ich ach! mit dir allein,Dann wehe meiner Ehre!Nur noch ein lezter LiebeskusSey, Liebster, dein und mein Genus,Eh ich im TodtenkleideAuf ewig von dir scheide.“ –„Ha Kind! Auf meine RittertreuKanst du die Erde bauen.Du kanst, beim Himmel! froh und freiMir Ehr’ und Leib vertrauen.Risch gehts nach meiner Mutter fort.Das Sakrament vereint uns dort.Kom kom! Du bist geborgen.Las Gott und mich nur sorgen!“ – „Mein Vater! — — Ach! ein Reichsbaron! — — —So stolz von Ehrenstamme! — — — —Las ab! Las ab! Wie beb’ ich schon,Vor seines Zornes Flamme!Nicht rasten wird er Tag und Nacht,Bis daß er nieder dich gemacht,Das Herz dir ausgerissenUnd das mir vorgeschmissen.“ – „Ha, Kind! Sey nur erst sattelfest,So ist mir nicht mehr bange. –Dann steht uns offen Ost und West. –O zaudre nicht zu lange!Horch, Liebchen, horch! – Was rührte sich? –Um Gotteswillen! tumle dich!Kom, kom! Die Nacht hat Ohren;Sonst sind wir ganz verloren.“ – Das Fräulein zagte – stand – und stand –Es graust’ ihr durch die Glieder. –Da grif er nach der Schwanenhand,Und zog sie flink hernieder.Ach! Was ein herzen, Mund und Brust,Mit Rang und Drang, vol Angst und Lust,Belauschten jezt die Sterne,Aus hoher Himmelsferne! – Er nam sein Lieb, mit einem Schwung,Und schwang’s auf den Polacken.Hui! sas er selber auf und schlungSein Heerhorn um den Nacken.Der Ritter hinten, Trudchen vorn.Den Dänen trieb des Ritters Sporn;Die Peitsche den Polacken;Und Hochburg blieb im Nacken. – Ach! leise hört die Mitternacht!Kein Wörtchen ging verloren.Im nächsten Bett’ war aufgewachtEin Paar Verräterohren.Des Fräuleins Sittenmeisterin,Vol Gier nach schnödem Goldgewin,Sprang hurtig auf, die ThatenDem Alten zu verrathen. „Halloh! Halloh! Herr Reichsbaron! –Hervor aus Bett’ und Kammer! –Eur Fräulein Trudchen ist entflohn,Entflohn zu Schand’ und Jammer!Schon reitet Karl von Eichenhorst,Und jagt mit ihr durch Feld und Forst.Geschwind! Ihr dürft nicht weilen,Wolt ihr sie noch ereilen.“ Hui auf der Freiherr, hui heraus,Bewehrte sich zum Streite,Und donnerte durch Hof und HausUnd wekte seine Leute. –„Heraus, mein Sohn von Pommerland!Siz auf! Nim Lanz’ und Schwert zur Hand!Die Braut ist dir gestolen;Fort fort! sie einzuholen!“ – Rasch rit das Paar im Zwielicht schon,Da horch! – ein dumpfes Rufen –Und horch! – erschol ein Donnerton,Von Hochburgs Pferdehufen;Und wild kam Plump, den Zaum verhängt,Weit weit voran, dahergesprengt,Und lies, zu Trudchens Grausen,Vorbei die Lanze sausen. – „Halt an! halt an! du Ehrendieb!Mit deiner losen Beute.Herbei vor meinen Klingenhieb!Dann raube wieder Bräute!Halt an, verlaufne Bulerin,Daß neben deinen Schurken hinDich meine Rache strecke,Und Schimpf und Schand’ euch decke!“ – „Das leugst du, Plump von Pommerland,Bei Gott und Ritterehre!Herab! Herab! daß Schwert und HandDich andre Sitte lehre. –Halt, Trudchen, halt den Dänen an! –Herunter, Junker Grobian,Herunter von der Märe,Daß ich dich Sitte lehre!“ – Ach! Trudchen, wie vol Angst und Not!Sah hoch die Säbel schwingen.Hell funkelten im MorgenrotDie Damascener Klingen.Von Kling und Klang, von Ach und Krach,Ward rund umher das Echo wach.Von ihrer Fersen StampfenBegan der Grund zu dampfen. Wie Wetter schlug des Liebsten SchwertDen Ungeschlifnen nieder.Gertrudens Held blieb unversehrt,Und Plump erstand nicht wieder. –Nun weh, o weh! Erbarm’ es Gott!Kam fürchterlich, Galop und Trot,Als Karl kaum ausgestritten,Der Nachtrab angeritten. – Trarah! Trarah! durch Flur und WaldLies Karl sein Horn nun schallen.Sieh da! Hervor vom Hinterhalt,Hophop! sein Heer Vasallen. –„Nun halt, Baron, und hör’ ein Wort!Schau auf! Erblikst du Jene dort?Die sind zum Schlagen fertig,Und meines Winks gewärtig. Halt an! Halt an! Und hör’ ein Wort,Damit dich nichts gereue!Dein Kind gab längst mir Treu und Wort,Und ich ihm Wort und Treue.Wilst du zerreissen Herz und Herz?Sol dich ihr Blut, sol dich ihr SchmerzVor Gott und Welt verklagen?Wolan! so las uns schlagen! Noch halt! Bei Gott beschwör’ ich dich!Bevor’s dein Herz gereuet.In Ehr’ und Züchten hab’ ich michDem Fräulein stets geweihet.Gib — — Vater! — — gib mir Trudchens Hand! –Der Himmel gab mir Gold und Land.Mein Ritterruhm und Adel,Gottlob! trozt jedem Tadel. –“ Ach! Trudchen, wie vol Angst und Not!Verblüht’ in Todesblässe.Von Zorn der Freiherr heis und rot,Glich einer Feueresse. –Und Trudchen warf sich auf den Grund;Sie rang die schönen Hände wund,Und suchte bas, mit Thränen,Den Eifrer zu versönen. „O Vater, habt Barmherzigkeit,Mit eurem armen Kinde!Verzeih’ euch, wie ihr uns verzeiht,Der Himmel auch die Sünde!Glaubt, bester Vater, diese Flucht,Ich hätte nimmer sie versucht,Wenn vor des Junkers BetteMich nicht geekelt hätte. – Wie oft habt ihr, auf Knie und Hand,Gewiegt mich und getragen!Wie oft: du Herzenskind! genant!Du Trost in alten Tagen!O Vater, Vater! Denkt zurük!Ermordet nicht mein ganzes Glük!Ihr tödtet sonst danebenAuch eures Kindes Leben.“ – Der Freiherr warf sein Haupt herum,Und wies den krausen Nacken.Der Freiherr rieb, wie taub und stum,Die dunkelrauhen Backen. –Vor Wehmut brach ihm Herz und Blik;Doch schlang er stolz den Strom zurük,Um nicht durch VaterthränenDen Rittersin zu hönen. – Bald sanken Zorn und Ungestüm.Das Vaterherz wuchs über.Von hellen Zären strömten ihmDie stolzen Augen über. –Er hub sein Kind vom Boden auf,Er lies der Herzensflut den Lauf,Und wolte schier vergehen,Vor wundersüssen Wehen. – „Nun wol! Verzeih’ mir Gott die Schuld,So wie ich dir verzeihe!Empfange meine Vaterhuld,Empfange sie auf’s neue!In Gottes Namen, sey es drum!“ –Hier wandt’ er sich zum Ritter um, –„Da! Nim sie meinetwegen,Und meinen ganzen Segen! Kom, nim sie hin, und sey mein Sohn,Wie ich dein Vater werde!Vergeben und vergessen schonIst jegliche Beschwerde.Dein Vater, einst mein Ehrenfeind,Der’s nimmer hold mit mir gemeint,That vieles mir zu Hohne.Ihn hast’ ich noch im Sohne. Mach’s wieder gut! Mach’s gut, mein Sohn,An mir und meinem Kinde!Auf daß ich meiner Güte LohnIn deiner Güte finde.So segne dann, der auf uns sieht,Euch segne Gott, von Glied zu Glied!Auf! Wechselt Ring’ und Hände!Und hiermit Lied am Ende!“ –