In schönen Sommertagen, wann lau die Lüfte wehn,
Die Wälder lustig grünen, die Gärten blühend stehn,
Da ritt aus Stuttgarts Thoren ein Held von stolzer Art,
Graf Eberhard der Greiner, der alte Rauschebart.
Mit wenig Edelknechten zieht er in’s Land hinaus,
Er trägt nicht Helm noch Panzer, nicht geht’s auf blut’gen Strauß,
In’s Wildbad will er reiten, wo heiß ein Quell entspringt,
Der Sieche heilt und kräftigt, der Greise wieder jüngt.
Zu Hirschau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein.
Dann gehts durch Tannenwälder in’s grüne Thal gesprengt,
Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt.
Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Haus,
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus,
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast,
Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast.
Wann er sich dann entkleidet und wenig ausgeruht
Und sein Gebet gesprochen, so steigt er in die Flut;
Er setzt sich stets zur Stelle, wo aus dem Felsenspalt
Am heißesten und vollsten der edle Sprudel wallt.
Ein angeschoßner Eber, der sich die Wunde wusch,
Verrieth voreinst den Jägern den Quell in Kluft und Busch,
Nun ist’s dem alten Recken ein lieber Zeitvertreib,
Zu waschen und zu strecken den narbenvollen Leib.
Da kömmt einsmals gesprungen sein jüngster Edelknab’:
„Herr Graf! es zieht ein Haufe das obre Thal herab.
Sie tragen schwere Kolben, der Hauptmann führt im Schild
Ein Röslein roth von Golde und einen Eber wild.“
„Mein Sohn! das sind die Schlegler, die schlagen kräftig drein, —
Gib mir den Leibrock, Junge! — das ist der Eberstein,
Ich kenne wohl den Eber, er hat so grimmen Zorn,
Ich kenne wohl die Rose, sie führt so scharfen Dorn.“
Da kömmt ein armer Hirte in athemlosem Lauf:
„Herr Graf! es zieht ’ne Rotte das untre Thal herauf.
Der Hauptmann führt drei Beile sein Rüstzeug glänzt und gleißt,
Daß mir’s, wie Wetterleuchten, noch in den Augen beißt.“
„Das ist der Wunnensteiner, der gleißend’ Wolf genannt, —
Gib mir den Mantel, Knabe! — der Glanz ist mir bekannt,
Er bringt mir wenig Wonne, die Beile hauen gut, —
Bind mir das Schwerdt zur Seite! — der Wolf, der lechzt nach
Blut.
Ein Mägdlein mag man schrecken, das sich im Bade schmiegt,
Das ist ein lustig Necken, das Niemand Schaden fügt,
Wird aber überfallen ein alter Kriegesheld,
Dann gilt’s, wenn nicht sein Leben, doch schweres Lösegeld.“
Da spricht der arme Hirte: „deß mag noch werden Rath,
Ich weiß geheime Wege, die noch kein Mensch betrat,
Kein Roß mag sie ersteigen, nur Geissen klettern dort,
Wollt Ihr sogleich mir folgen, ich bring’ Euch sicher fort.“
Sie klimmen durch das Dickicht den steilsten Berg hinan,
Mit seinem guten Schwerdte haut oft der Graf sich Bahn.
Wie herb das Fliehen schmecke, noch hatt’ er’s nie vermerkt,
Viel lieber möcht’ er fechten, das Bad hat ihn gestärkt.
In heißer Mittagsstunde bergunter und bergauf!
Schon muß der Graf sich lehnen auf seines Schwerdtes Knauf.
Darob erbarmt’s den Hirten des alten, hohen Herrn,
Er nimmt ihn auf den Rücken: „ich thu’s von Herzen gern.“
Da denkt der alte Greiner: „es thut doch wahrlich gut,
So sänftlich seyn getragen von einem treuen Blut;
In Fährden und in Nöthen zeigt erst das Volk sich ächt,
Drum soll man nie zertreten sein altes, gutes Recht.“
Als drauf der Graf gerettet zu Stuttgart sitzt im Saal,
Heißt er ’ne Münze prägen als ein Gedächtnißmal,
Er gibt dem treuen Hirten manch blankes Stück davon,
Auch manchem Herrn vom Schlegel verehrt er eins zum Hohn.
Dann schickt er tücht’ge Maurer in’s Wildbad alsofort,
Die sollen Mauern führen rings um den offnen Ort,
Damit in künft’gen Sommern sich jeder greise Mann,
Von Feinden ungefährdet, im Bade jüngen kann.