Du ſiehſt mit Augen nur und hoͤreſt nur mit Ohren;
Geht Sehn und Hoͤren drum mit Aug’ und Ohr verloren?
Nein, nur die Art zu ſehn, zu hoͤren, nicht die Kraft
Zu ſehn, zu hoͤren, die der Seel’ iſt weſenhaft;
Die Kraft, in der ſie ſchwebt, in der ſie ruht und fließt,
Sich ausgießt, in ſich ſelbſt ſich ſchließt und ſich genießt;
Die Kraft, die denkt im Haupt und dir im Herzen fuͤhlt,
Die auch mit Hirn und Blut nicht iſt hinweggeſpuͤlt;
Die, iſt ihr jeder Weg der Aeußrung abgeſchnitten,
Ganz in ſich ſelber ruht in ihrer eignen Mitten;
Und eben, wann ſie ſich nicht außen thaͤtig zeigt,
In ſich hinein, hinab, hinauf zur Gottheit ſteigt.
Wie wann die Blume Nachts ſich ſchließt, ſie nun in ſich
Geſammelt hat den Duft, der Tags im Wind entwich.
Wie der entlaubte Baum im Winter ſeinen Saft
Zuruͤck aus Stamm und Zweig zog in den Wurzelſchaft.
So ſeiner Sinne Zweig’ entfaltet in den Raum,
Und ſeine Wurzel birgt in Gott des Lebens Baum.
O laß die Sinne nicht ſich in die Welt verirren,
Um ihre Mutter, die Beſinnung, zu verwirren!
Vor lauter Sehen ſiehſt du ſonſt nur Nebelflor,
Vor lauter Hoͤren hoͤrſt du nur den Lerm vom Chor.
Doch wie der Aſtronom im Nebel nur den Stern,
So in den Huͤllen der Erſcheinung ſieh den Kern.
Wie ein Tonkundiger den Grundton aus dem Braus
Der Stimmen, hoͤre du ihn aus der Welt heraus.
Alswie ein Liebender erklaͤrt fuͤr eine Luͤge
Ein Bild, an dem er nicht erblickt geliebte Zuͤge;
Denn ſehenswerth iſt nur am ganzen Weltgetriebe
Allein der Liebe Spur, geſehn vom Blick der Liebe.
Und wie der Freund dem Ruf des fernen Freundes lauſcht,
Ob auch des lauten Markts Getoͤs dazwiſchen rauſcht;
Vom Meer, worin es ſchwimmt, wird er das Troͤpfchen trennen,
Wird ſeines Freundes Stimm’ als Perl’ im Ohr erkennen.
Im Ton iſt nah der Freund, von dem du biſt geſchieden;
Und wenn du treu ihm biſt, ſo hoͤrſt du ihn zufrieden.
Im Herzen habe ſtets den Freund vor Angeſicht,
Daß nie dich ſchrecke, was er in der Seele ſpricht.