Als ich vor’gen Herbst mit euern
Aeltern Brüdern ausgezogen
Zu der Weinles’ Abenteuern,
Und zu Hause bei der Mutter
Euch zwei Kleinste mußte lassen;
Dachten wir bei jeder reifsten
Schönsten Traube, die wir pflückten —
Oder, recht zu sagen, dacht’ ich,
Weil an nichts die Knaben denken —
Wie euch würd’ ein Beerchen schmecken,
Wenn ihr jetzt daheim es hättet;
Könnt’ ichs in den Mund euch stecken!
Und dann von der Lese brachten
Wir die schönsten, nicht die reifsten,
Weil die reifsten sich nicht halten
Und sich nicht verführen lassen,
Brachten wir die schönsten Träubchen
Euch mit heim, ihr schönsten Täubchen.
O wie mir das Beerchen schmeckte,
Das ich in den Mund euch steckte!
Und alsob ein Kern der Traube
Vor mir auf den Boden fiele,
Wurzeln schlüg’ und würd’ ein Weinstock,
So versetzte mich mein Glaube
In die Zukunft goldner Zeiten,
In die schönste Rebenlaube,
Wo ihr stundet mir zur Seiten,
Pflückend aus dem Laub die Traube,
Pressend Wein, und mir kredenzend,
Und mit Rebenlaub mich kränzend,
Beide groß und hochgestaltet,
Blühend jugendlich entfaltet,
Du, mein Mädchen, eine Hebe,
Du, mein Knäbchen, ein Ephebe,
Oder du mein Ganymedchen,
Sie mein Ganymeda-Mädchen.
O der Aussicht goldner Weiten!
Und nun seid ihr mir entrissen,
Soll ich meine Zukunft missen?
Was bedarf es ferner Zeiten?
Von des Lebens Thau begossen,
Uebernacht emporgeschossen,
Was mein Ferngesicht bedeute,
Seid ihr schon geworden heute.
Ja, dieß Jahr noch will ich sehen
Euch mir so zur Seite stehen,
In der Laube mir kredenzend,
Und mit Lächeln mich bekränzend,
Du, mein Mädchen, eine Hebe,
Du, mein Knäbchen, ein Ephebe,
Oder du mein Ganymedchen,
Du mein Ganymeda-Mädchen.