Dichter
Mohammed Schemseddin, sage,
Warum hat dein Volk, das hehre,
Hafis dich genannt?
Hafis
Ich ehre,
Ich erwidre deine Frage.
Weil in glücklichem Gedächtnis
Des Korans geweiht Vermächtnis
Unverändert ich verwahre,
Und damit so fromm gebare,
Des gemeinen Tages Schlechtnis
Weder mich noch die berühret,
Die Propheten-Wort und Samen
Schätzen, wie es sich gebühret —
Darum gab man mir den Namen.
Dichter
Hafis, drum, so will mir scheinen,
Möcht ich dir nicht gerne weichen:
Denn, wenn wir wie andre meinen,
Werden wir den andern gleichen.
Und so gleich ich dir vollkommen,
Der ich unsrer heil’gen Bücher
Herrlich Bild an mich genommen,
Wie auf jenes Tuch der Tücher
Sich des Herren Bildnis drückte,
Mich in stiller Brust erquickte
Trotz Verneinung, Hindrung, Raubens
Mit dem heitern Bild des Glaubens.
Anklage
Wißt ihr denn, auf wen die Teufel lauern
In der Wüste, zwischen Fels und Mauern?
Und wie sie den Augenblick erpassen,
Nach der Hölle sie entführend fassen?
Lügner sind es und der Bösewicht,
Der Poete, warum scheut er nicht,
Sich mit solchen Leuten einzulassen!
Weiß denn der, mit wem er geht und wandelt,
Er, der immer nur im Wahnsinn handelt?
Grenzenlos, von eigensinnigem Lieben,
Wird er in die öde fortgetrieben,
Seiner Klagen Reim’, in Sand geschrieben,
Sind vom Winde gleich verjagt;
Er versteht nicht, was er sagt,
Was er sagt, wird er nicht halten.
Doch sein Lied, man läßt es immer walten,
Da es doch dem Koran widerspricht.
Lehret nun, ihr des Gesetzes Kenner,
Weisheit-fromme, hochgelahrte Männer,
Treuer Mosleminen feste Pflicht.
Hafis insbesondre schaffet ärgernisse,
Mirza sprengt den Geist ins Ungewisse:
Saget, was man tun und lassen müsse!
Fetwa
Hafis’ Dichterzüge, sie bezeichnen
Ausgemachte Wahrheit unauslöschlich;
Aber hie und da auch Kleinigkeiten
Außerhalb der Grenze des Gesetzes.
Willst du sicher gehn, so mußt du wissen
Schlangengift und Theriah zu sondern —
Doch der reinen Wollust edler Handlung
Sich mit frohem Mut zu überlassen
Und vor solcher, der nur ew’ge Pein folgt,
Mit besonnenem Sinn sich zu verwahren,
Ist gewiß das Beste, um nicht zu fehlen.
Dieses schrieb der arme Ebusuud,
Gott verzeih’ ihm seine Sünden alle!
Der Deutsche dankt
Heilger Ebusuud, hast’s getroffen!
Solche Heil’ge wünschet sich der Dichter:
Denn gerade jene Kleinigkeiten
Außerhalb der Grenze des Gesetzes
Sind das Erbteil, wo er übermütig,
Selbst im Kummer lustig, sich beweget.
Schlangengift und Theriak muß
Ihm das eine wie das andre scheinen.
Töten wird nicht jenes, dies nicht heilen:
Denn das wahre Leben ist des Handelns
Ewge Unschuld, die sich so erweiset,
Daß sie niemand schadet als sich selber.
Und so kann der alte Dichter hoffen,
Daß die Huris ihn im Paradiese
Als verklärten Jüngling wohl empfangen.
Heiliger Ebusuud, hast’s getroffen!
Fetwa
Der Mufti las des Misri Gedichte,
Eins nach dem andern, alle zusammen,
Und wohlbedächtig warf sie in die Flammen.
Das schöngeschriebne Buch, es ging zunichte.
"Verbrannt sei jeder", sprach der hohe Richter,
"Wer spricht und glaubt wie Misri — er allein
Sei ausgenommen von des Feuers Pein:
Denn Allah gab die Gabe jedem Dichter.
Mißbraucht er sie im Wandel seiner Sünden,
So seh er zu, mit Gott sich abzufinden."