Verlangst du ein zufriednes Herz:
So lern die Kunst, dich stoisch zu besiegen,
Und glaube fest, daß deine Sinnen trügen.
Der Schmerz ist in der Tat kein Schmerz,
Und das Vergnügen kein Vergnügen.
Sobald du dieses glaubst: so nimmt kein Glück dich ein,
Und du wirst in der größten Pein
Noch allemal zufrieden sein.
Das, sprichst du, kann ich schwer verstehen.
Ist auch die stolze Weisheit wahr?
Du sollst es gleich bewiesen sehen;
Denn Epiktet stellt dir ein Beispiel dar.
Ihn, als er noch ein Sklave war,
Schlug einst sein Herr mit einem starken Stabe
Zweimal sehr heftig auf das Bein.
»Herr«, sprach der Philosoph, »ich bitt Ihn, laß Ers sein,
Denn sonst zerschlägt Er mir das Bein.«
»Gut, weil ich dirs noch nicht zerschlagen habe:
So soll es«, rief der Herr, »denn gleich zerschlagen sein!«
Und drauf zerschlug er ihm das Bein;
Doch Epiktet, anstatt sich zu beklagen,
Fing ruhig an: »Da sieht Ers nun!
Hab ichs Ihm nicht gesagt, Er würde mirs zerschlagen?«
Dies, Mensch, kann Zenons Weisheit tun!
Besiege die Natur durch diese starken Gründe.
Und willst du stets zufrieden sein:
So bilde dir erhaben ein,
Lust sei nicht Lust, und Pein nicht Pein.
Allein, sprichst du, wenn ich das Gegenteil empfinde,
Wie kann ich dieser Meinung sein?
Das weiß ich selber nicht; indessen klingts doch fein,
Trotz der Natur sich stets gelassen sein.