Geduld! Die Sonne steigt im Osten auf,
Sie sinkt im Westen zu des Meeres Plan,
Sie hat vollendet eines Tages Lauf.
Geduld! Nach Süden wirft auf ihrer Bahn
Sie jetzt, bald wieder senkrecht meinen Schatten,
Ein Jahr ist um, es fängt ein andres an.
Geduld! Die Jahre ziehen ohn Ermatten,
Nur grub für sie kein Kreuz mehr deine Hand,
Seit ihrer funfzig sich gereihet hatten.
Geduld! Du harrest stumm am Meeresrand,
Und blickest starr in öde blaue Ferne,
Und lauschst dem Wellenschlag am Felsenstrand.
Geduld! Laß kreisen Sonne, Mond und Sterne,
Und Regenschauer mit der Sonnenglut
Abwechseln über dir; Geduld erlerne!
Ein Leichtes ist’s, der Elemente Wut
Im hellen Tagesscheine zu ertragen,
Bei regem Augenlicht und wachem Mut.
Allein der Schlaf, darin uns Träume plagen,
Und mehr die schlaflos lange bange Nacht,
Darin sie aus dem Hirn hinaus sich wagen!
Sie halten grausig neben uns die Wacht
Und reden Worte, welche Wahnsinn locken; –
Hinweg! hinweg! wer gab euch solche Macht?
Was schüttelst du im Winde deine Locken?
Ich kenne dich, du rascher wilder Knabe,
Ich seh dich an und meine Pulse stocken.
Du bist ich selbst, wie ich gestrebet habe
In meiner Hoffnung Wahn vor grauen Jahren,
Ich bin du selbst, das Bild auf deinem Grabe.
Was sprichst du noch vom Schönen, Guten, Wahren,
Von Lieb und Haß, von Tatendurst? du Tor!
Sieh her, ich bin, was deine Träume waren.
Und führest wiederum mir diese vor?
Laß ab, o Weib, ich habe längst verzichtet,
Du hauchst aus Aschen noch die Glut empor!
Nicht so den süßen Blick auf mich gerichtet!
Das Licht der Augen und der Stimme Laut,
Es hat der Tod ja alles schon vernichtet.
Aus deinem hohlen morschen Schädel schaut
Kein solcher Himmel mehr voll Seligkeit;
Versunken ist die Welt, der ich vertraut.
Ich habe nur die allgewalt’ge Zeit
Auf diesem öden Felsen überragt
In grausenhafter Abgeschiedenheit.
Was, Bilder ihr des Lebens, widersagt
Ihr dem, der schon den Toten angehöret?
Zerfließet in das Nichts zurück, es tagt!
Steig auf, o Sonne, deren Schein beschwöret
Zur Ruh den Aufruhr dieser Nachtgenossen,
Und ende du den Kampf, der mich zerstöret.
Sie bricht hervor, und jene sind zerflossen. –
Ich bin mit mir allein und halte wieder
Die Kinder meines Hirns in mir verschlossen.
O tragt noch heut, ihr altersstarren Glieder,
Mich dort hinunter, wo die Nester liegen;
Ich lege bald zur letzten Rast euch nieder.
Verwehrt ihr, meinem Willen euch zu schmiegen,
Wo machtlos innre Qualen sich erprobt,
Wird endlich, endlich doch der Hunger siegen.
Es hat der Sturm im Herzen ausgetobt,
Und hier, wo ich gelitten und gerungen,
Hier hab ich auszuatmen auch gelobt.
Laß, Herr, durch den ich selber mich bezwungen,
Nicht Schiff und Menschen diesen Stein erreichen,
Bevor mein letzter Klagelaut verklungen.
Laß klanglos mich und friedsam hier erbleichen;
Was frommte mir annoch in später Stunde,
Zu wandeln, eine Leiche über Leichen?
Sie schlummern in der Erde kühlem Grunde,
Die meinen Eintritt in die Welt begrüßt,
Und längst verschollen ist von mir die Kunde.
Ich habe, Herr, gelitten und gebüßt, –
Doch fremd zu wallen in der Heimat – nein!
Durch Wermut wird das Bittre nicht versüßt.
Laß weltverlassen sterben mich allein,
Und nur auf deine Gnade noch vertrauen;
Von deinem Himmel wird auf mein Gebein
Das Sternbild deines Kreuzes niederschauen.