Wenn an einander wir, o Freund, nicht oͤfter daͤchten
Als ſchrieben, zweifelt’ ich an unſrer Liebe Maͤchten.
Ich aber zweifle nicht, ich weiß mit Zuverſicht:
Du gibſt mir, wie ich dir, tagtaͤglichen Bericht.
Und ich empfang’ ihn auch, wie du empfaͤngſt den meinen;
Wir unterreden uns, wenn wir zu ſchweigen ſcheinen.
Du weißt ja, wie ich war, drum weißt du, wie ich bin;
Und wie ich kannte dich, kenn’ ich dich immerhin.
Doch wenn man ohne Schrift das Innre kann gewahren,
Von Zeit zu Zeit will man was Aeußres auch erfahren.
Denn unſre Freundſchaft iſt Gefuͤhl ins Ferne zwar,
Jedoch kein Ferngeſicht, wovor uns Gott bewahr!
Drum geb’ ich Nachricht dir, daß du mir Nachricht gebeſt,
Nicht, ob du mich noch liebſt, nur, ob du auch noch lebeſt.
Ich leb’ und freue mich noch jeder guten Stunde,
Und von der boͤſen nehm’ ich lieber keine Kunde.
Noch minder gaͤb ich dir davon die Kunde gern,
Nah bliebe dir nur, was derweil mir ſchon iſt fern.
Wie ſollt’ ich Dauer dem verleihn auf dieſem Blatt,
Was in der Wirklichkeit zum Gluͤck nicht Dauer hat!