Ich denke, daß auch dich zu Zeiten noch verwirret,
Was in der Jugend mich ſo manichfach geirret;
Wenn den Ausſpruͤchen ich der Weiſen aller Zeiten
Gieng glaͤubig nach und mich von ihnen gern ließ leiten;
Da ſtellt’ ich jeden mir als einen Leitſtern vor,
Und jede Perle nahm ich freudig in mein Ohr.
Wenn meine Spruͤche nun, die goldnen, ich verglich,
Mit Staunen nahm ich wahr: ſie widerſprachen ſich.
Und weil ich konnte nun nicht alle mehr zuſammen
Annehmen, hatt’ ich Luſt ſie alle zu verdammen.
Denn welchen haͤtt’ ich Recht dem andern vorzuziehn,
Da mir an ſeinem Platz jeder der rechte ſchien?
Bis mir die Einſicht kam, daß alle Weisheit bringt
Bedingte Wahrheit nur, nicht Wahrheit unbedingt;
Daß alles, was iſt wahr in eigener Verbindung,
Und wie hervor es gieng aus eigener Empfindung,
Falſch wird, ſobald man der Verbindung es entzieht,
Und mit veraͤnderter Empfindung es beſieht.
Seitdem ließ ich geſtellt, und ſo magſt dus auch laſſen,
Jedes an ſeinem Ort, und ſah ein jedes paſſen,
Dankbar den Weiſen all’ fuͤr ihre Weisheitsſpendung,
Und vorbehaltend mir die eigne Nutzanwendung.
Ich raͤume gleiches Recht dir ein auf dieſes Buch;
So widerſpricht ſich nicht der Spruͤche Widerſpruch.