Was, beym Anubis! konnte das
Für eine Stellung seyn, in welcher Phanias
Die beiden Weisen angetroffen?
»Sie lagen doch — wir wollen bessers hoffen! —
Nicht süßen Weines voll im Gras?«
Dieß nicht. — »So ritten sie vielleicht auf Steckenpferden?«
Das könnte noch entschuldigt werden;
Doch von so fei’rlichen Gesichtern, als sie waren,
Vermuthet sich nichts weniger als das.
Ihr Zeitvertreib war in der That kein Spaß;
Denn, kurz, sie hatten sich einander bey den Haaren.
Der nervige Kleanth war im Begriff, ein Knie
Dem Gegner auf die Brust zu setzen,
Der, unter ihm gekrümmt, für die Philosophie,
In ihrem Skythischen Ergetzen
Des Hausherrn Ankunft stört. Beschämt, als hätte ihn
Sein Feind bei einer That, die keine fremde Leute
Zu Zeugen nimmt, ertappt, zum Stehn wie zum Entfliehn
Unschlüssig, wünscht er nur dem Gast an seiner Seite
Ein Schauspiel zu entziehn, das sie weit mehr erfreute
Als von Menandern selbst (dem Attischen Goldon)
Das beste Stück. Allein sie waren schon
Zu nah, sie sah zu gut, der Schauplatz war zu offen,
Er konnte nicht sie zu bereden hoffen
Sie habe nichts gesehn. Die Kämpfer raffen sich
Indessen auf; sie ziehen sittsamlich
Die Mäntel um sich her, und stehen da und sinnen
(Weil Phanias, damit sie Zeit gewinnen,
Die Nymph’ am Arm, nur schleichend näher kam)
Der Schmach sich selbst bewußter Scham
Durch dialektische Mäander zu entrinnen.
Vergebens, wenn Musarion
Großmüthig ihnen nicht zuvor gekommen wäre.
»Die Herren üben sich«, spricht mit gelaßnem Ton
Die Spötterin, »vermuthlich nach der Lehre,
Daß Leibesübung auch des Geistes Stärke nähre.
Ein männlich Spiel fürwahr! wovon
Mit bestem Recht zu wünschen wäre
Daß unsrer Sitten Weichlichkeit
Nicht allgemach es aus der Mode brächte.«
Man sieht, sie gab dem wilden Stiergefechte
Ein Kolorit von Wohlanständigkeit;
(Nicht ohne Absicht zwar) — Wer war dabey so freudig
Als Phanias! — Allein der stoische Kleanth
(Zu hitzig oder ungeschmeidig
Zu fühlen, daß es bloß in seiner Willkühr stand
Das Kompliment in vollem Ernst zu nehmen)
Zwang seinen Schüler sich noch mehr für ihn zu schämen.
Der Augenblick, worin Musarion
Ihn überfiel, ihr Blick, der schalkhaft sanfte Ton
Der Ironie, und (was noch zehnmal schlimmer
Als alles andre war) ihr ungewohnter Schimmer,
Die Majestät der Liebeskönigin,
Das Wollustathmende, das eine Atmosphäre
Von Reitz und Lust um sie zu machen schien,
Bestürmt auf einmahl, für die Ehre
Er stottert ihr Entschuldigungen,
Zupft sich am Bart, zieht stets den Mantel enger an,
Und unterdeß entwischt dem weisen Mann
Was niemand wissen will, — er hab’ im Ernst gerungen.
Der Streit, versichert er, ging eine Wahrheit an,
Die er so sonnenklar, so scharf beweisen kann,
Nur ein Arkadisch Thier, ein Strauß, ein Auerhahn —
Hier röthet sich sein Kamm, es schwellen Brust und Lungen,
Er schreyt — Mich jammert nur der arme Phanias!
Bald lauter Gluth, bald leichenmäßig blaß,
Steht er beyseits und wünscht vom Boden sich verschlungen
Worauf er steht. — Die Schöne sieht’s, und eilt
Ihn von der Marter zu erretten.
Mit einem Blick voll junger Amoretten
Und Grazien, der stracks an unsichtbare Ketten
Kleanthens Tollheit legt, Theophrons Rippen heilt,
Spricht sie: »Wenn’s euch beliebt, so machen wir die Fragen,
Wovon die Rede war, zu unserm Tischkonfekt;
Ich zög’ ein solch Gespräch, sogar bey leerem Magen,
Der Tafel vor, die Ganymedes deckt.
Wie freu’ ich mich, daß ich den Weg verloren,
Da mir das Glück so viel Vergnügen zugedacht!
Glücksel’ger Phanias, der Freunde sich erkohren,
Von denen schon der Anblick weiser macht!
Jetzt wundert mich nicht mehr, wenn er zum Spott der Thoren
Mitleidig lächeln kann, und, glücklich, wie er ist,
Athen und uns und alle Welt vergißt!«
So sprach sie; und mit Ohren und mit Augen
Verschlingt das weise Paar was diese Muse spricht:
Begier’ger kann die welke Rose nicht
Den Abendthau aus Zephyrs Lippen saugen.
Zusehens schwellen sie von selbst-bewußtem Werth;
Nicht, daß ein fremdes Lob sie dessen erst belehrt:
Nur hört man stets mit Wohlgefallen
Aus andrer Mund das Urtheil wiederhallen,
Womit uns innerlich die Eitelkeit beehrt.
Ein Philosoph bleibt doch uns andern allen
Im Grunde gleich: wär’ er so stoisch als ein Stein,
Und hätte nichts die Ehr’ ihm zu gefallen,
Er selbst gefällt sich doch! Schmaucht ihn mit Weihrauch ein,
Und seyd gewiß, er wird erkenntlich seyn.
Es stieg demnach von Grad zu Grade
Der Schönen Gunst bey unserm Weisenpaar;
Ihr lachend Auge fand selbst vor der Stoa Gnade,
Und man vergab es ihr, daß sie so reitzend war.
Ein kleiner Sahl, der von des Hauswirths Schätzen
Kein allzu günstig Zeugniß gab,
Nahm die Gesellschaft auf. Ein ungekämmter Knab’
Erschien, die Tafel aufzusetzen,
Lief keuchend hin und her, und hatte viel zu thun
Bis er ein Mahl zu Stande brachte,
Wovon ein wohlbetagtes Huhn
In Cypernwein erstickt) die beste Schüssel machte.
Ob die Philosophie des guten Phanias
Der schönen Nymphe gegen über
Bey einem solchen Schmaus so gar gemächlich saß,
Läßt man dem Leser selbst zu untersuchen über.
Ein wenig falsche Scham, von der er noch nicht ganz
Sich los gemacht, schien ihn vor einem Zeugen
Von seines vor’gen Wohlstands Glanz
Ein wenig mehr als nöthig war zu beugen.
Allein der Dame Witz, die freye Munterkeit,
Die was sie spricht und thut mit Grazie bestreut,
Und dann und wann ein Blick voll Zärtlichkeit,
Den sie, als ob sie sich vergäß’, erst auf ihn heftet
Dann seitwärts glitschen läßt, entkräftet
Den Unmuth bald, der seine Stirne kräust;
Stets schwächer widersteht sein Herz dem süßen Triebe,
Und, eh’ er sich’s versieht, beweist
Sein ganzes Wesen schon den stillen Sieg der Liebe.
Indessen wird, so sichtbar als es war,
Den beiden Weisen doch davon nichts offenbar,
Ob sie die Schöne gleich mit großen Augen messen.
Die Herren dieser Art blendt oft zu vieles Licht;
Sie sehn den Wald vor lauter Bäumen nicht.
Doch sind die unsrigen entschuldigt; denn indessen
Daß Phanias ein liebliches Vergessen
Von allem, was sein steifer Pädagog
Ihm jemahls vorgeprahlt, aus schönen Augen sog,
War auf Musarions Verlangen
Das akademische Gefecht schon angegangen,
Womit sie etwas sich zu gut zu thun beschloß.
Kleanth bewies bereits: »Der Weise nur sey groß
Und frey, geringer kaum ein wenig
Als Jupiter, ein Krösus, ein Adon,
Ein Herkules, und zehnmahl mehr ein König
Auf mürbem Stroh als Xerxes auf dem Thron;
Des Weisen Eigenthum, die Tugend, ganz alleine
Sey wahres Gut, und nichts von allem dem
Was unsern Sinnen reitzend scheine
Sey wünschenswürdig« — Kurz, die Wuth für sein System
Ging weit genug, ganz trotzig, ohne Röthe,
Zu prahlen: Wenn in »Cypriens Figur
Die Wollust selbst leibhaftig vor ihn träte,
Bey Mondschein sehen ließ, — und diese Venus böte
Auf seinem Stroh ihm ihre schöne Brust
Zum Polster an — ein Mann wie Er verschmähte
Den süßen Tausch.« — Hier war es, wo die Lust
Des Widerspruchs Theophron sich nicht länger
Versagen kann — ein Mann von krausem schwarzem Bart
Und Augen voller Gluth, kein übler Sänger
Und Citarist, dabey ein Grillenfänger
So gut als jener, nur von einer andern Art.
»Das geht zu weit, (fiel er Kleanthen in die Rede)
Zum mindsten führet es gar leicht zu Mißverstand.
Nicht daß ich hier das Wort der Wollust rede
Im gröbern Sinn! Die ist unleugbar eitel Tand
Und Schaum und Dunst, ein Kinderspiel für blöde
Unreife Seelen, die mit ihren Flügeln noch
Doch sollt’ uns nicht die Nektartraube schmecken,
Weil ein Insekt auf ihrem Purpur kroch?
Der Mißbrauch darf nicht unser Urtheil leiten:
Alt ist der Spruch, zu selten sein Gebrauch!
Saugt nicht auf gleichem Rosenstrauch
Die Raupe Gift, die Biene Süßigkeiten?«
Begeistert wie ein Korybant,
Und von Musarion die Augen unverwandt,
Fing jetzt Theophron an, in dichterischen Tönen,
Vom Ersten Wesentlichen Schönen
Zu schwärmen: »Wie das alles, was wir sehn
Und durch der Sinne Dienst mit unsrer Seele gatten,
Von dem, was übersinnlich schön
Und göttlich ist, nur wesenlose Schatten,
Nur Bilder sind, wie wenn in stiller Flut,
Von Büschen eingefaßt, sich Sommerwolken mahlen.«
Von da erhob er sich, bey immer wärmerm Blut,
»Zu den geheimnisvollen Zahlen,
Zur sphärischen Musik, zum unsichtbaren Licht,
Zuletzt zum Quell des Lichts.« — Ekstatischer hat nicht,
Wie aus der alten Nacht die schöne Welt entsprungen,
Und vom Deukalion, und von der goldnen Zeit,
Virgils Silen den Knaben vorgesungen
Die ihn im Schlaf erhascht und zum Gesang gezwungen.
Dann fuhr er fort, und sprach »vom Tod der Sinnlichkeit,
Und wie durch magische geheime Reinigungen
Die Seele nach und nach vom Stoffe sich befreyt,
Und wie sie, durch Enthaltsamkeit
Von Erdetöchtern und — von Bohnen,
Zum Umgang tüchtig wird mit Göttern und Dämonen.
Bis sie (dem Wurme gleich, der in die Sommerluft
Auf neuen Flügeln sich erhebet)
Dem Stoff sich ganz entreißt und ihres Körpers Gruft,
Zur Göttin wird und unter Göttern lebet.«
Belustigt an dem hohen Schwung,
Den unser Doktor nahm, stellt sich die schlaue Schöne,
Als ob vor Hörenslust und vor Bewunderung
Ihr Busen sich in seinen Fesseln dehne.
Zum Unglück für den Mann, der lauter Wunder spricht,
Entsteht dadurch (und sie bemerkt es nicht)
Ich weiß nicht welche kleine Lücke,
Die seinen Flug auf einmahl unterbricht;
Und wie zuletzt die Richtung seiner Blicke
Ihr sichtbar macht was ihn zerstreut,
Und sie beschäftigt scheint den Zufall zu verbessern,
Hat sie die Ungeschicklichkeit,
(Wofern’s nicht Bosheit war) das Übel zu vergrößern.
Der Umstand ist an sich nur eine Kleinigkeit;
Doch wird vielleicht die Folge zeigen
Daß er entscheidend war. Es folgt ein tiefes Schweigen,
Wobey Kleanth sogar das volle Glas,
Und, was kaum glaublich ist, die Lust zum Zank vergaß;
Indeß, vertieft in Sinus und Tangenten,
Der Jünger des Pythagoras
Woran die Lambert selbst sich übermessen könnten;
Vor Amorn unbesorgt, der hier zu lauern pflegt,
Und schon den schärfsten Pfeil auf seinen Bogen legt.
Mit lächelnder Verachtung sieht die Dame
Das weise Paar, mit seinem Flitterkrame
Von falschen Tugenden und großen Wörtern, an;
Und eh’ die Herren sich’s versahn,
Weiß sie mit guter Art den unbescheidnen Blicken,
Was ihres gleichen zu entzücken
Die Charitinnen nicht mit eigner Hand
So schön gedreht, auf einmahl zu entrücken;
Und alles sinkt sogleich in seinen alten Stand.
Drauf sprach sie: »In der That, man kann nichts schöners hören,
Als was Theophron uns vom unsichtbaren Licht,
Von Eins und Zwey, von musikal’schen Sphären,
Vom Tod der Sinnlichkeit und von Vergött’rung spricht.
Wie Schade, wär’ es nur ein schönes Luftgesicht
Wornach er uns die Lippen wässern machte!
Und doch, der Weg zu diesem stolzen Glück
Ist, däucht mir, das, woran er nicht gedachte?«
Theophron, noch ganz warm von dem was seinem Blick
Entzogen war, und voll von wollustreichen Bildern,
Beginnt den Weg, den Prodikus so schmal
So lachend wie ein Rosenthal
Zu Amathunt, dem Aufenthalt der Freuden.
Ein Sybarit, der einen Weg aus beiden
Zu wählen hätt’, erwählte sonder Müh
Den blumigen, den die Philosophie
Theophrons ging, — durch zauberische Schatten,
Wo Geist und Körper sich, bey ungewissem Licht,
In schöne Ungeheuer gatten,
Und Amor, nicht der kleine Bösewicht
Den Koypel mahlt, ein andrer von Ideen,
Wie der zu Gnid von Grazien umschwebt,
Ein Amor, der vom Haupt bis zu den Zehen
Voll Augen ist und nur vom Anschaun lebt,
Der Seele Führer wird, sie in die Wolken hebt,
Und, wenn er sie zuvor — in einem kleinen Bade
Von Flammen — wohl gereinigt und gefegt,
Sie stufenweis durch die gestirnten Pfade
Bis in den Schooß des höchsten Schönen trägt.
Doch eh’ zu so erhabner Liebe
Die Seele leicht genug sich fühlt,
Befreyt Theophron sie vorher von jedem Triebe,
Der thierisch im Morast des groben Stoffes wühlt.
»Und hier ist’s«, fährt er fort, »wo unsre Afterweisen
Ein falsches Licht verführt. Die guten Leute preisen
Uns ihre Apathie als ein Geheimniß an,
Nach ihnen soll der Weise alles meiden
Was Aug’ und Ohr ersetzt; so kleine Kinderfreuden
Sind ihm zu tändelhaft; stets in sich selbst gekehrt
Beweist er sich allein durch das was er entbehrt
Die Größe seines Glücks, fühlt nichts, um nichts zu leiden,
Und — irret sehr. Das Schöne kann allein
Der Gegenstand von unsrer Liebe seyn;
Die große Kunst ist nur, vom Stoff es abzuscheiden.
Der Weise fühlt. Dieß bleibt ihm stets gemein
Mit allen andern Erdensöhnen:
Doch diese stürzen sich, vom körperlichen Schönen
Geblendet, in den Schlamm der Sinnlichkeit hinein,
Indessen wir daran, als einem Wiederschein,
Ins Urbild selbst zu schauen uns gewöhnen.
Dieß ist’s, was ein Adept in allem Schönen sieht,
Was in der Sonn’ ihm strahlt und in der Rose blüht.
Der Sinnensklave klebt, wie Vögel an der Stange,
An einem Lilienhals, an einer Rosenwange;
Der Weise sieht und liebt im Schönen der Natur
Vom Unvergänglichen die abgedruckte Spur.
Der Seele Fittich wächst in diesen geist’gen Strahlen,
Die, aus dem Ursprungsquell des Lichts
Ergossen, die Natur bis an den Rand des Nichts
Mit fern nachahmenden nicht eignen Farben mahlen.
Sie wächst, entfaltet sich, wagt immer höhern Flug,
Und trinkt aus reinern Wollustbächen;
Ihr thut nichts Sterbliches genug,
Ja, Götterlust kann einen Durst nicht schwächen
Den nur die Quelle stillt. So, meine Freunde, wird,
Was andre Sterbliche, aus Mangel
Der höhern Scheidekunst, gleich einer Flieg’ am Angel,
Zu süßem Untergange kirrt,
So wird es für den ächten Weisen
Ein Flügelpferd zu überird’schen Reisen.
Auch die Musik, so roh und mangelhaft
Sie unterm Monde bleibt — denn, ihrer Zauberkraft
Sich recht vollkommen zu belehren,
Muß man, wie Scipio, die Sphären
Auch die Musik bezähmt die wilde Leidenschaft,
Verfeinert das Gefühl, und schwellt die Seelenflügel;
Sie stillt den Kummer, heilt die Milzsucht aus dem Grund,
Und wirkt (zumahl aus einem schönen Mund)
Mehr Wunderding’ als Salomonis Siegel.«
Hier kann Kleanth nicht länger ruhn,
Er muß, vom Wahrheitsdrang gezwungen,
Der Schwärmerey des Mannes Einhalt thun;
Denn alles was Theophron uns gesungen,
War, seinem Urtheil nach, vollkommnen Aberwitz.
Schon richtet er auf seinem Polstersitz,
Den rechten Arm entblößt, die Stirn in stolzen Falten,
Sich drohend auf, und hat, noch eh’ er spricht,
Den leichten Sieg bereits erhalten;
Als ihn ein Auftritt unterbricht,
Auf den das weise Paar sich nicht gefaßt gehalten.
Der Sahl eröffnet sich und eine Nymphe tritt
Herein, das Haupt mit einem Korb beladen,
Den Busen leicht verhüllt, und gleich den Oreaden
So hoch geschürzt, daß jeder schnelle Schritt
Den schlanken Fuß bis an die feinsten Waden
Und oft sogar ein Knie von Wachs entdeckt,
Das eilend wieder sich im dünnen Flor versteckt.
Nicht schöner mahlt die Heben und Auroren
Alban, der, wie ihr wißt, so gerne Nymphen mahlt.
Mit einem Wort, sie war so auserkohren,
Daß unser Theosoph (beym ersten Blick verloren
Im Wiederschein, der ihm entgegen strahlt)
Die Düfte nicht empfindt, die aus dem Korbe steigen,
Und die Kleanth mit Mund und Nase in sich schlürft.
Musarion, die sich den Ausgang schon entwirft,
Winkt ihrem Freund ein Pythagor’sches Schweigen,
Indeß den Korb die schöne Sklavin leert,
Und mit sechs großen Nektarkrügen,
(Genug von einem Faun den Weindurst zu besiegen)
Mit Früchten und Konfekt den runden Tisch beschwert.
»Die Herren (spricht hierauf die Schöne) haben beide
Mich wechselsweise, so wie jeder sprach, bekehrt:
Wie sehr ich auch das Glück der Apathie beneide,
So däucht mich doch die geist’ge Augenweide,
Die uns Theophron zeigt, nicht minder wünschenswerth.
Erlaubet, daß ich mich ein andermahl entscheide.
Es sey der Rest der Nacht, die mich so viel gelehrt,
Den Musen heilig und der Freude!
Nimm, Phanias, die Schal’, und gieß sie aus
Der himmlisch lächelnden Cytheren;
Und du, Theophron, gieb uns einen Ohrenschmaus,
Und laß zum Saitenspiel uns deine Stimme hören.«
Das leichte philosoph’sche Mahl
Verwandelt nun (Dank sey der Oreade,
Die Hebens Dienste thut) durch unbemerkte Grade
Sich in ein kleines Bacchanal.
Zwar läßt zum Lob des unsichtbaren Schönen
Der bärtige Apoll das ganze Haus ertönen;
Allein sein Blick, der nie von Chloens Busen weicht,
Beweist, wie wenig was er fühlet
Dem was er singt, und einer Rolle gleicht,
Die auch der künstlichste Komödiant so leicht
Und ungezwungen nie, wie seine eigne, spielet.
Die lose Sklavin hilft des Weisen Lüsternheit
Durch listige Geschäftigkeit
Mit jedem Augenblick lebhafter anzufachen;
Stets ist sie um ihn her, und macht sich tausend Sachen
Mit ihm zu thun, in immer hellerm Glanz
Die Reitzungen ihm vorzuspiegeln,
Die nur zu sehr die Seel’ in ihm beflügeln
Womit sie seine Stirne schmücket,
Vollendet was ihm fehlt, damit wer ihn erblicket,
Wie er den Zärtlichen und Angenehmen macht,
Fast überlaut ihm an die Nase lacht.
Wie traurig, Phanias, siehst du die schönste Nacht,
Dir ungenutzt, bey diesem Spiel verstreichen!
Er gähnt die Freundin kläglich an,
Er winkt, er seufzt: umsonst, sie folget ihrem Plan,
Und denkt vielleicht nicht weniger daran
Ihn mit dem seinen zu vergleichen.
Zu ihrer Freude bringt der schlauen Chloe Kunst
Den schlüpfrigen Pythagoräer
Dem abgeredten Ziel zusehends immer näher.
Er buhlt durch Blicke schon um ihre Gegengunst
So feyerlich, antwortet ihren Blicken
Mit so fanatischem, so komischem Entzücken,
Daß Hogarths Laune selbst kaum weiter gehen kann.
Wozu, Verführerin, bietst du den Nektarbecher
Dem Lechzenden so zaubrisch lächelnd an?
Sein Brand bedarf kein Öhl! Nimm lieber einen Fächer,
Und kühle seinen Mund und seiner Wangen Gluth!
Wohnt so viel Grausamkeit in sanften Mädchenseelen?
Glaubt ihr, ein weiser Mann sey nicht von Fleisch und Blut?
Doch Chloe weiß vermuthlich was sie thut;
Sie hat die Miene nicht, ihn unbelohnt zu quälen.
Nicht wenig stolz auf sein gefrornes Blut,
Beweist indeß mit hoch empor geworfner Nase
Kleanth, der Stoiker, bey oft gefülltem Glase,
Daß Schmerz kein Übel sey, und Sinnenlust kein Gut.
Ihm hängt, wie dort Horaz, dem trägen
Lastbaren Thiere gleich, sein Lehrling, weil er muß
Und widerspricht zuletzt aus Langweil und Verdruß.
Natürlich reitzet dieß noch mehr des Weisen Galle:
Im Eifer schenkt er sich nur desto öfter ein,
Glaubt, daß er Wasser trinkt, nicht Wein,
Und demonstriert den Aristipp, und alle
Die seiner Gattung sind, in Circens Stall hinein.
Durch jeden Widerspruch und jedes Glas vermehrt,
Hat von sechs Flaschen schon die dritte ausgeleert;
Die Dame zum Beschluß ersetzt,
Ihn vollends ganz in Flammen setzt.
Erfahren seine Wuth, wie er des Weingotts Macht;
Und eh’ der Tänzer noch uns von den Antipoden
Den Gott des Lichts zurück gebracht,
Fällt taumelnd sein Rival und liegt besiegt zu Boden.
Der dritte Akt des Lustspiels schließt sich nun,
Und alles sehnet sich, den Rest der Nacht zu ruhn.
Kleanth, der, wie er lag, Virgils Silenen
Nicht übel glich, (nur daß er nicht erwacht,
So sehr ihn Chloe zwickt, so laut man um ihn lacht)
Wird standsgemäß, umtanzt von beiden Schönen,
Mit Bacchischem Triumph in — einen Stall gebracht,
Und lachend wünschet man einander gute Nacht.