Ein junges Weib, sie hieß Lisette,
Dies Weibchen lag an Blattern blind.
Nun weiß man wohl, wie junge Weiber sind;
Drum durft ihr Mann nicht von dem Bette,
So gern er sie verlassen hätte:
Denn laßt ein Weib schön wie Cytheren sein,
Wenn sie die Blattern hat: so nimmt sie nicht mehr ein.
Hier sitzt der gute Mann, zu seiner größten Pein,
Und muß des kranken Weibes pflegen,
Ihr Küssen oft zurechtelegen,
Und oft durch ein Gebet um ihre Beßrung flehn;
Und gleichwohl war sie nicht mehr schön.
Ich hätt ihn mögen beten sehn.
Der arme Mann! Ich weiß ihm nicht zu raten.
Vielleicht besinnt er sich, und tut, was andre taten.
Ein krankes Weib braucht eine Wärterin;
Und Lorchen ward dazu erlesen,
Weil ihr Lisettens Eigensinn
Vor andern längst bekannt gewesen.
Sie trat ihr Amt dienstfertig an,
Und wußte sich in allen Stücken
Gut in, die kranke Frau zu schicken,
Und auch in den gesunden Mann.
Sie war besorgt, gefällig, jung und schön,
Und also ganz geschickt, mit beiden umzugehn.
Was tut man nicht, um sich von Gram und Pein,
Von Langerweile zu befrein?
Der Mann sieht Lorchen an, und redt mit ihr durch Blicke,
Weil er nicht anders reden darf;
Und jeder Blick, den er auf Lorchen warf,
Kam, wo nicht ganz, doch halb erhört zurücke.
Ach, arme kranke Frau! Es ist dein großes Glücke,
Daß du nicht sehen kannst, dein Mann tut recht galant;
Dein Mann, ich wollte viel drauf wetten,
Hat Lorchen schon vorher gekannt,
Und sie mit Fleiß zur Wärterin ernannt.
Ja, wenn sie bloß durch Blicke redten:
So möcht es endlich wohl noch gehn;
Allein bald wird man sie einander küssen sehn.
Er kömmt, und klopft sie in den Nacken,
Und kneipt sie in die vollen Backen;
Sie wehrt sich ganz bequem, bequem wie eine Braut,
Und findet bald für gut, sich weiter nicht zu wehren.
Sie küssen sich recht zärtlich und vertraut;
Allein sie küßten gar zu laut.
Wie konnt es anders sein? Lisette mußt es hören.
Sie hörts, und fragt: »Was schallt so hell?«
»Madam, Madam!« ruft Lorchen schnell,
»Es ist Ihr Herr, er ächzt vor großem Schmerz,
Und will sich nicht zufriedengeben.«
»Ach«, spricht sie, »lieber Mann, wie redlich meints dein Herz!
O gräme dich doch nicht! Ich bin ja noch am Leben.«