In den Thalen der Provence
Ist der Minnesang entsprossen,
Kind des Frühlings und der Minne,
Holder, inniger Genossen.
Blüthenglanz und süße Stimme
Konnt’ an ihm den Vater zeigen,
Herzensglut und tiefes Schmachten
War ihm von der Mutter eigen.
Selige Provencer Thale,
Ueppig blühend wart ihr immer,
Aber eure reichste Blüthe
War des Minneliedes Schimmer.
Jene tapfern, schmucken Ritter,
Welch ein edler Sängerorden!
Jene hochbeglückten Damen,
Wie sie schön gefeiert worden!
Vielgeehrt im Sängerchore
Wer Rudello’s werther Name,
Vielgepriesen, vielbeneidet
Die von ihm besungne Dame.
Aber Niemand mocht’ erkunden,
Wie sie hieße, wo sie lebte,
Die so herrlich, überirdisch
In Rudello’s Liedern schwebte;
Denn nur in geheimen Nächten
Nahte sie dem Sänger leise,
Selbst den Boden nie berührend,
Spurlos, schwank, in Traumesweise.
Wollt’ er sie mit Armen fassen,
Schwand sie in die Wolken wieder,
Und aus Seufzern und aus Thränen
Wurden dann ihm süße Lieder.
Schiffer, Pilger, Kreutzesritter
Brachten dazumal die Mähre,
Daß von Tripolis die Gräfin
Aller Frauen Krone wäre;
Und so oft Rudell es hörte,
Fühlt’ er sich’s im Busen schlagen,
Und es trieb ihn nach dem Strande,
Wo die Schiffe fertig lagen.
Meer, unsichres, vielbewegtes,
Ohne Grund und ohne Schranken!
Wohl auf deiner regen Wüste
Mag die irre Sehnsucht schwanken.
Fern von Tripolis verschlagen,
Irrt die Barke mit dem Sänger;
Aeußrem Sturm und innrem Drängen
Widersteht Rudell nicht länger.
Schwer erkranket liegt er nieder,
Aber südwärts schaut er immer,
Bis sich hebt am letzten Rand
Ein Pallast im Morgenschimmer.
Und der Himmel hat Erbarmen
Mit des kranken Sängers Flehen,
In den Port von Tripolis
Fliegt das Schiff mit günst’gem Wehen.
Kaum vernimmt die schöne Gräfin,
Daß so edler Gast gekommen,
Der allein um ihretwillen
Ueber’s weite Meer geschwommen:
Alsobald mit ihren Frauen
Steigt sie nieder, unerbeten,
Als Rudello, schwanken Ganges,
Eben das Gestad betreten.
Schon will sie die Hand ihm reichen,
Doch ihm dünkt, der Boden schwinde.
In des Führers Arme sinkt er,
Haucht sein Leben in die Winde.
Ihren Sänger ehrt die Herrin
Durch ein prächtiges Begängniß,
Und ein Grabmal von Porphyr
Lehrt sein trauriges Verhängniß.
Seine Lieder läßt sie schreiben
Allesammt mit goldnen Lettern,
Köstlich ausgezierte Decken
Gibt sie diesen theuren Blättern;
Liest darin so manche Stunde,
Ach! und oft mit heißen Thränen,
Bis auch sie ergriffen ist
Von dem unnennbaren Sehnen.
Von des Hofes lust’gem Glanz,
Aus der Freunde Kreis geschieden,
Suchet sie in Klostermauern
Ihrer armen Seele Frieden.