Kallisthenes, ein Jüngling zu Athen,
Kam einst, nach einer durchgeschwärmten Nacht,
Den welken Epheukranz um’s wilde Haar,
Hintaumelnd in der Dämmerung, nach Haus,
Er selber, wie die Dämmrung, wüst und bleich.
Als nun der Diener nach dem Schlafgemach
Ihm leuchtet durch den hohen Säulengang,
Da tritt mit Eins im vollen Fackelschein
Des Bacchus göttlich Marmorbild hervor,
Von schöpferischer Meisterhand geformt.
In Jugendfülle hebt sich die Gestalt,
Aus reichem, lang hinwallendem Gelock
Erglänzt das feingewölbte Schulternpaar,
Und unter’m Schatten üppigen Geflechts
Von Rebenlaub und schwellender Traubenfrucht
Erscheint das runde, blühende Gesicht.
Erschrocken fährt Kallisthenes zurück
Vor der Erscheinung Herrlichkeit und Glanz,
Ihm ist, als hätte mit dem Thyrsusstab
Der Gott die Stirne strafend ihm berührt,
Als spräche zürnend der belebte Mund:
„Was spuckst du hier, du wankendes Gespenst?
Ereb’scher Schatten, kraftlos, sinnbetäubt!
Du hast den heil’gen Epheu mir entweiht,
Du nennest frevelnd meinen Priester dich;
Hinweg von mir! ich kenne deiner nicht.
Ich bin die Fülle schaffender Natur,
Die sich besonders in dem edeln Blut
Der Rebe reich und göttlich offenbart.
Will euer wüstes Treiben einen Gott,
So sucht ihn nicht auf sonnigem Weingebirg,
Nein! sucht ihn drunten in des Hades Nacht!“
Der Gott verstummt, der Fackel Licht erlischt,
Der Jüngling schleicht beschämt in sein Gemach,
Er nimmt vom Haupt den welken Epheukranz
Und still in des Gemüthes Innerstem
Beschwöret er ein heiliges Gelübd.