Die Freundschaft1772.Weil Tugend nicht, noch GeistesgabeDen Eigensinn des Schicksals rührt,Das uns den kurzen Weg zum GrabeDurch Blumenflur und Wüste führt,Weil alles hier den Wechsel fühlet,Das Glück mit unsern Wünschen spielet,Das beste Herz sich oft verirrtUnd seines Irrthums Opfer wird;Soll ich mit finsterm Blick und träge,Tief in mich selbst verhüllet, gehn;Nicht Blumen pflücken, die am WegeSich düftend mir entgegen blähn?Vorübereilend frostig grüßenDen guten frommen Wandersmann;Nicht freundschaftlich mich an ihn schließen,Und, ach! so lang ich immer kann,Das Glück, ein Mensch zu seyn, genießen?Erfindungsreich zu ihrer QualIst die Vernunft, die dieß befahl.Zum Vorrecht ward sie uns gegeben;Doch ach! indem wir uns durch sieVor allen Thieren stolz erheben,Verbittern wir uns selbst das LebenUnd erndten Gram für unsre Müh.Ein guter Gott hat nicht vergebensGestreuet Freuden ohne ZahlAuf die bedornte Bahn des Lebens;Er läßt von allen uns die Wahl.Hier beut der Reichthum seine Schätze;Dort zeigt der Ruhm uns goldne Plät,Noch unerfüllt im Götterchor;Auch steigt im lachenden GefildeDer Tempel Amors dort hervor;Daß er sein rohes Herz zur Milde,Zur Anmuth seine Sitten bilde,Eilt flatternd ihm der Jüngling zu;Ihn suchet lächelnd selbst der Weise,Und sammlet hier, durch kurze Ruh,Sich neue Kräfte zu der Reise.Ruhm, Liebe, Reichthum weicht zurück!Erhabne, sanfte Seelen finden,Sich sehen, Sympathie empfinden,In Einem heitern AugenblickAuf Ewigkeiten sich verbinden;Dieß ist der Menschheit erstes Glück,Und dieses nur kann michentzünden!Es ist so reizend, seinem PfadIn Wüsten, die kein Fuß betrat,Mit einein Freundenachzuspüren;So reizend, mit geschlungner Hand,An einer gähen Tiefe Rand,Auf morschen Stegen sich zu führen;Dem Dürstenden, aus hohler Hand,Den ersten Labetrunk zu bringen;Wenn Stürme gegen Stürme ringenUnd Wanderern Verderben dräun,Mit ihm des Mantels Schutz zu theilen,Und in dem schauervollsten Hain,Wo Räuberlauern, Wölfe heulen,Beym Mittagsstral, bey Mondenschein,Durch Unschuld sicher zu verweilen;Noch reizender, des Schöpfers MachtMit der Musik des Hains zu preisen;In einerhohen Linde NachtAm Tische der Natur zu speisen;Bey jedem müherfüllten GangSich zu ermuntern mit Geschwätzen,Und, unter freudigem Gesang,An kühle Bäche sich zu setzen. O Freundschaft, erstgebornes KindDes liebevollesten der Wesen,Süß, wie die Träume vom GenesenDem hofnungslosen Kranken sind!O, dieses Lebens Labyrinth,Was wär’ es ohne dich? VerbreiteDein mildes Licht auf meinen SchrittStolz auf dein göttliches Geleite,Geh’ ich, wohin du führest, mit.Als Knaben hast du mich getragen,Als Jüngling warnend mich gelenkt;Erbarmt hast du dich meiner Klagen,Auf Wunden, die du mir geschlagen,Mit neuen Freuden mich getränkt.Dich will ich im Genuß verehren,Dir will ich danken im Verlust;Es stillen sich des Abschieds ZährenAn eines neuen Freundes Brust;Oft, wenn das wunde Herz noch blutet,Führt den Gefährten unvermuthetEin Umweg wiederauf uns zu;Die frühe sich verloren hatten,Begegnensich im Abendschatten,Und gehen Hand in Hand zur Ruh. Ihr, meiner Wallfahrt erste Wonne,Ihr Edlen, die mein Arm umschloß,Als noch auf uns die MorgensonneIhr allbelebend Feuer goß,Vergebens grüßet euch mein Seegen,Vergebens wallt euch meine Brust,Streckt sich, zur süßgewohnten Lust,Mein Arm dem eurigen entgegen!Ihr seyd zerstreut! Auf fernen WegenMuß ich, ein Spiel des Schicksals, gehn?O! werd’ ich in den dunklen Gründen,Durch die sich meine Schritte winden,Nicht Einen von euch wiedersehn?