Hellebek, eine seeländische Gegend1776Die mich oft auf wehenden Flügeln des rosigen Morgens,Oft in tauenden Düften der Abendkühle besuchte,Die mir begegnet’ auf hangenden Pfaden der heiligen Alpen,Und auf grünlichen Wellen des Sees im tanzenden NachenMich ergriff, daß ich dem Sohne der Felsenkluft zurief:»Warum stürzest du, Jüngling, herab die donnernden FlutenIn den stilleren See? Noch bist du frei, wie die Götter!Wie die Götter, noch stark! dort unten harret der KnechtschaftRuhe dein! Enteile nicht, Jüngling, dem näheren Himmel!«O Begeistrung, wo warst du, da ich, mit flehender Stimme,Dich in mitternächtlicher Stunde, vom Monde beschienen,Einsamwallend am Ufer des wogenrauschenden Meeres,In der Fluten Geräusch, im Schimmer der Sterne dich suchte? –Sanft umsäuselten mich und hehr die nächtlichen Schauer;Sinkendes Abendrot weilte noch über Schwedens Gebirge,Und es tanzten die rötlichen Gipfel auf Wogen des Nordmeers.Heller strahlte der Sund, vom steigenden Monde beschienen;Lieblich glitten auf beiden Meeren, mit schwellendem Segel,Schiffe, mit ruhenden Blitzen gerüstet, und hüpfende Nachen,Hier im Mondschein, dort im sterbenden Schimmer des Abends.Über mich wehten auf hohem Gestade die heiligen Buchen,Deren kein nordischer Sturm, kein Sturm von Osten geschonet.Blitzzerschmetterten Wipfeln entsauset festliches Rauschen,Das mit Erinnrung und Ahndung den ernsten Waller erfüllet.Ach! mir lispelte freundlich die Stimme der jungen Erinnrung;Denn hier sah ich vor wenigen Stunden, mit euch, ihr Geliebten!Sinken die Sonn’ in Wogen des unermeßlichen Meeres.Siehe hier den Stein, an welchem Emilia hinsank,Stillerrötend vom Schimmer des Abends und sanften Gefühlen;Und wir sanken zu ihren Füßen – von Seligkeit trunkenIrrte dein Blick, o Freund! Von ihren Augen zur Sonne,Von der Sonne zu ihren Augen! Dir strahlte sie minderSchön in Wogen des Meers, als in Emiliens Thränen.Siehe, nun war die Sonne gesunken! Nun sausten die WipfelLauter, und lauter rauschten am Ufer die purpurnen Fluten!Nun umschwebten uns Bilder der Vorzeit; die Leier von SelmaTönet’ um uns, um uns die liebliche Stimme von Kona.Da erhuben wir uns auf Lochlins hohem Gestade,Sahen jenseit des Meers, am Fuße des Felsengebirges,Starnos unwirtbaren Wohnplatz. Dort landete Fingal; dort sah erAgandecka; dort liebten sich Fingal und Agandecka.Ach! gleich einem Sterne, der finstre Wolken durchschimmert,Sah er das Fräulein zuerst. In ihrem wallenden BusenStieg das Bild des Helden empor, wie die steigende Sonne.Starno laurte mit Ränken auf ihn; da bebte des FräuleinsHeimliche Thräne; da schlich sie zu ihm in schweigender Stunde:»Sohn der hallenden Selma, dich will mein Vater ermorden!Fleuch! dein harren im Walde versteckt die Söhne des TodesFleuch, und rette mich, Held, aus der Hand des zürnenden Vaters!« –Unbekümmert ging er zur Jagd; die Söhne des TodesFielen durch ihn, und Gormal erscholl von der fallenden Rüstung.Starno blickte finster umher: »Auf, rufet das Mägdlein,Daß ihr reiche die blutige Hand der König von Morven!«Bleich erschien, mit fliegendem Haar, das liebliche Mägdlein;Seufzend hob sich ihr Busen, wie Schaum des strömenden Lubar;Stille Thränen entstürzten den niederblickenden Augen;Starno wandte sein Haupt, und durchstach sie – AgandeckaFiel, wie rollender Schnee, der Ronans Felsen entgleitet;Schweigend lauschen die Haine der Stimme des hallenden Thales.Fingal blickt’ auf die Helden umher. Da flohen und sankenLochlins Krieger. Er brachte das Fräulein mit sinkenden LockenAuf sein Schiff, und suchte die grünende Küste von Morven.Dort erhebt sich ihr Grab auf einem einsamen Hügel.Agandeckas Wohnung umrauschen die Wogen des Weltmeers.Oft umtönte den Hügel die liebliche Stimme von Kona,Ossians Leier, mit ihr die Stimme der sanften Malvina.So umwallten uns manche Gesichte der grauenden Vorzeit.Sie entschwebten dem Wogengeräusch des heiligen Meeres,Dem Gesäusel der Buchen, dem roten und tauenden Himmel.Lange wallten wir noch am hohen Ufer, und sahenUnter uns drei ruhige Hütten, ans steile GestadeAngelehnt, und freundlich genetzt von der schmeichelnden Welle.Lämmer weideten zwischen den Hütten im wankenden Grase,Und am kühlenden Born mit sprudelndem Silbergestäube.Weiden und blühende Flieder umschatten die mittelste Hütte.Lächelnd weilte beim lieblichen Anblick Emiliens Auge.»From sind deine Bewohner, du moosige Hütte!« sie sprach es,Und es suchet’ ihr Blick den Pfad zur moosigen Hütte.Süße Schauer ergriffen dich, Freundin! O, laß dir erzählen,Welche Schauer es waren, und wer die Schauer dir sandte!Fromme Seelen, das wußtest du nicht! umschwebten dich leise,Wehten dir Empfindungen zu und lispelten freundlich.Diese Bäume waren noch nicht; auf eben der StätteWaren Hütten gebaut und waren Hütten gesunken,Und, in ähnlicher Wohnung, von ähnlichen Bäumen umschattet,Lebte Sveno hier, mit seinem Weibe Gotilde,Seinen mutigen Söhnen und zartaufblühenden Töchtern.Äcker hatten sie nicht; sie lebten von Früchten des Gartens,Von der einzigen Kuh, dem Netze, der schwankenden AngelOftmal saßen sie hier, gekühlt von freundlichen Lüften,Wenn die Abendsonne das flutende Weltmeer erhellte,Bis sich über den Sund die östlichen Schimmer des MondesZitternd erhuben, und heimzukehren die Glücklichen lockten.Kummer kannten sie nicht, nur Sorgen der zärtlichen Liebe.Einfalt deckte den frohen Tisch, ihn würzte die Freiheit,Und es sorgte kein Tag für seine jüngeren Brüder.Vater! es bauet der Mensch sein Haus; es nistet die SchwalbeIm Gesimse; du nährest die Schwalbe! du nährest den Menschen!Frühe fuhr täglich Sveno ins Meer mit täuschendem Netze,Oft die Söhne mit ihm, oft Weib und Töchter und Söhne.Also fuhren sie einst zusammen, und freuten sich herzlichÜber den Mond und den Morgenstern und den kommenden Morgen.»Sveno, wie gleitet der Nachen so sanft!« – »So führt uns, Gotilde,Gott durchs Leben, hinüber ins Land der ewigen Ruhe!« –Freudig sagt es der Mann, und thränend erwidert Gotilde:»Wer von uns wird zuerst, o Sveno, den andern verlassen?Wer von uns zuletzt die Kinder als Waisen verlassen?« –»Wie Gott will! – Nun rudert, ihr Knaben! Es schwellen die Fluten.«Vater und Knaben ruderten rasch; es lächelte weinend,Auf die augenverbergende Hand gestützet, Gotilde.Gott sah ihre Thränen, und rief dem Winde. Schon rauschteHöher die Flut; schon brauste der Sturm; schon tobte die Windsbraut,Daß das Segel zerriß, eh sie’s zu senken vermochten.Vater und Knaben ruderten rasch. Nun weinte die MutterLaut empor; es weinten wie sie die zagenden Töchter,Bis die Welle sich türmender hob, den Nachen am FelsenWarf, und Vater und Mutter und Kinder aus einmal hinabschlang. –Engel schwebten über der Flut; so schwebet der BogenGottes über der stäubenden Flut des stürzenden Stromes.Ach! nun schweben mit ihnen die Seelen im strahlenden FlugeAlle zugleich hinüber ins Land der ewigen Ruhe.Ihre Leichen trennte das Meer nicht, und wiegte sie sorgsamAns Gestad, und weinend begrub sie, unter der BuchenAuf dem Hügel, der Nachbar, wo uns, im Hauche des Abends,Heitre Gedanken von Tod und Auferstehung umschwebten.Sonne, du steigst, und sinkest, um wieder zu steigen! Einst wirst duSinken in ewige Nacht! – Dann fragen sich wundernd die Sterne:»Warum säumt die leuchtende Schwester im purpurnen Lager?Weilt sie im kühlenden Bade des Meers?« – Im Bade des MeeresWeilt sie nicht, und nicht in ihrem purpurnen Lager.Sterne, sie starb! – Einst sterbt ihr wie sie, ihr Söhne des Lichtes! –Ach! die goldene Saat von Sonnen und Sternen und MondenRauschet entgegen der Sichel des Todes, und neue GefildeKeimen empor, dereinst mit neuen Saaten gekrönet,Bis auch diese das rollende Jahr des Himmels gereifet! –Laß sie rollen, die Jahre des Himmels! Mit Saaten der SchöpfungUnd mit Ernten der Schöpfung ein jedes bereichert! Wir werdenSäen sehn und ernten, geschmückt mit ewiger Jugend!Solche Gedanken führten uns heim. Wir freuten uns innigUnsers unsterblichen Lebens und unsrer ewigen Freundschaft.Freunde! die Göttin verläßt mich, sonst säng’ ich die lieblichen Haine,Sie, mit Bächen gewässert, geschmückt mit Hügeln und Thälern,Und die zwanzig Seen mit Eichen und Buchen umkränzet.Ach Begeistrung! Melodisch erscholl der Flug deiner Ankunft,Nun enteilest du mir im schwebenden Saitengelispel.Kehre wieder und bald aus deiner tönenden Halle!